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Regnerische Nächte im Glanz des Neonlichtes

01.10.2015 - 11:01 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
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Warner Bros., Grimalkin
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Ja, ich bin tatsächlich mal wieder dabei. Hättet ihr nicht gedacht, watt? Ich ja auch nicht, nach meiner ca. 2 wöchigen Auszeit. Aber ich will es mir dann doch nicht nehmen lassen, meine Liebe zum Cyberpunk kundzutun - denn das Thema lautet "Fernweh" und was passt da besser als eine Lobpreisung an schwarze Wolkenkratzer, verregnete Straßen, Techno-Baustil und haufenweise Neonlicht?

4 Jahre noch. 4 Jahre voller rapider Entwicklung der Technologie und Moral und gleichzeitigem Wiederentdecken nostalgischer Vorstellung von Zukunftsästhetik. Dann gehe ich nach Los Angeles, stöpsle mir "Tales of the Future" von Vangelis anhörend meine Kopfhörer in die spitzen Hundeohren und lasse mich von den riesenhaften Bauten, schwarz wie die Nacht, in einen Rausch aus Sinneseindrücken versetzen. Blade Runner gehört zu meinen All-Time-Favourite-Filmen. Das liegt an mehreren Gründen. Salopp und dem Werk nicht ansatzweise gerecht werdend formuliert, liegt dies an drei Faktoren: 1. Er ist ein Science Fiction-Film, der sich eine Welt erschafft, und diese so dermaßen ernst nimmt, dass er die Missstände nicht nur oberflächlich beschreibt sondern tief in die Materie eindringt und vor Allem nicht nur auf ökonomische, sondern auch soziale und philosophische Probleme ausführlich hinweist. 2. Der Film hat einen gigantischen Wiederanschauungswert. Er macht einfach Spaß, und das, obwohl oder gerade weil er sich so weit abseits des Mainstreams befindet. Er nimmt sich Zeit für Inhalt und Ästhetik, er genießt, vergisst aber auch nicht, ein gewisses Tempo zu halten, und das zu einem der brillantesten bzw. einem meiner liebsten Filmscores aller Zeiten. 3. Er bietet die mit Abstand schönste Optik, die es je in einem Film gab. Ich sage es, subjektiv und in keinster Weise irgendwie rational begründet, frei heraus, und lasse mich freilich auch nicht umstimmen. Ich fühlte mich des Öfteren von Werken, die ihre Universen mit unermesslicher Kreativität und Schönheit erschaffen umgehauen und genieße es, in diese Welten einzutauchen. Zuletzt bei Der Dunkle Kristall, wie auch Ridley Scotts dystopischer Meilenstein aus dem Jahre 1982. Doch bislang gelang es nur "Blade Runner"s dunkler, hochtechnisierter und stilisierter Vision eines futuristischen L. A., mich langhaltig dortzuhalten, mich Teil davon werden lassen zu wollen.

Dieses in atemberaubenden Lichtspielen erstrahlende Los Angeles, welches den ein- oder anderen Japangeek etwas an Tokio bei Nacht erinnert, allerdings wie die mit Undezilliarden mal mehr Budget errichtete, veredelte und gewaltigere Version der asiatischen Großstadt, überwältigt durch ein Bild gigantischer Techno-Ästhetik, sowohl in Größe als auch Qualität, die stilprägend für das Subgenre des Cyberpunk war, und einen visuellen Grundstein legte, der häufig als Schablone diente, aber in seiner Wirkung und Oprik nie komplett imitiert werden konnte. Zukunfts-L.A. ist ein Ort, an dem eine hypnotische und betörende Aura pulsiert, ein Ort, der vom höchsten Gebäudekomplex bis zur breitesten Pyramide wortwörtlich Feuer speit und Leben haucht, und sich gleichzeitig elektrisch und virtuell wie das Cyberspace selbst anfühlt. Hypermoderne. Retrosynthetik. Man fühlt das Kybernetische und das Organische in Einklang und Harmonie vermischen, die ganze Metropole strahlt ein Gefühl von Elektrizität und pochenden Impulsen aus. Und das, obwohl die Welt der Replikanten und Blade Runner nur bedingt heil ist.

Nein, es läuft nicht alles perfekt im Jahre 2019, glaubt man dem Film. Vor Allem das beinahe Fehlen jeglicher Tiere, anders als dem Menschen, das dem Dingo in Zivil schonmal mulmig macht, lässt etwas grübeln, und auch mit Überbevölkerung hat man freilich zu kämpfen. Aber wenn man eines nicht verlernt, sondern gar erweitert hat, dann ist der Sinn für Ästhetik und Eleganz, gepaart mit Coolness und dem wahren Futurismus. Den, der heute fast schon wieder altmodisch ist.Die klitzekleinen Sterne auf dem sich durch etliche Kilometer erstreckenden, in tiefem Schwarz gehaltenen Silhouettenhaufen, den diese Stadt darstellt, entpuppen sich bei genauerer Betrachtung als Fenster, und geben somit auf verräterische Weise Preis, was mir längst vermuten: die Gebäude erstrecken über riesenhafte Strecken, die für viele tausende Bürger pro Wolkenkratzer Platz bieten, und ihre Gesamthöhe streckt sich dem verregneten, dunklen Himmel der Nacht sehnlichst entgegen. Auf den glatten Flächen der Hochhausriesen spiegeln sich die Lichter in den Fenstern, wie auch die der riesenhaften Werbemonitore, die sich über endlose Meter hinweg erstrecken und die Leute mit japanischen Coca Cola-Spots beschallen. Und es hat eine gewisse Symbiose, mit der uns die Reklame hier entzückt. Zum Farbenspiel gehört aber noch mehr, so betrachten wir in Bodennähe, von der aus wir das andere Ende des alles umgebenden Bauten nur erahnen können, eine Vielzahl an Inschriften mit knalligen Neonfarben, Blau, Pink, Gelb, aber vor Allem Türkis dominieren in strahlenden Tönen vor finsterstem Hintergrund das Stadtbild ungemein. Sprachen werden hier viele gesprochen, und besonders verschiedene asiatische Schriftzeichen flimmern im Einklang mit westlichen Worten. Hat man Glück, dann regnet es, und die durchsichtigen Tropfen reflektieren wie auch die spiegelblanken Wände ringsherum die hellen Neonfarben der Dioden, Bildschirme und Tafeln, um insgesamt einen Tanz der Lichter und der Dunkelheit zu choreografieren.

Hat dich Los Angeles 2019 erst einmal in seinen verkabelten, vernetzten Bann gezogen, lässt es dich so schnell nicht mehr los. Die Metropole beginnt, ihre Atmosphäre weit außerhalb des Bildschirms auszuschütten, ihre Seele durchdringt unsere Sinne, entführt uns und macht uns zu ihrem Bewohner, der in den verregneten Straßen dahinschlendert, und durch die Reflexion an seiner Kleidung die leuchtenden Farben mit sich trägt und vermindert ausstrahlt, alles gehüllt im Schwarz der alles verhüllenden Hochhäuser der Stadt. Los Angeles '19 - wo urbanes Leben scheint wie fremde Sphären.

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Alle Texte zum Thema "Fernweh":

Grimalkin: https://www.moviepilot.de/news/der-schlechteste-tourist-der-welt-157560

chita91: https://www.moviepilot.de/news/paradise-falls-calgary-der-ort-deiner-traume-158449

Absurda: https://www.moviepilot.de/news/wenn-die-liebe-zur-momentaufnahme-wird-158177

Stefan Ishii: https://www.moviepilot.de/news/urlaubsziele-und-weltkino-ein-pladoyer-fur-mehr-abwechslung-157504

Martin Canine: https://www.moviepilot.de/news/regnerische-nachte-im-glanz-des-neonlichtes-158396

Schlopsi: https://www.moviepilot.de/news/the-desire-of-a-fan-girl-158186

alex023: https://www.moviepilot.de/news/i-m-in-a-crowd-but-alone-i-m-here-but-i-m-not-158499


Nächstes Thema: Filmlektüre

Datum: 1. Oktober

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