Regisseur Radu Mihaileanu sucht nach absoluter Harmonie

29.07.2010 - 14:00 Uhr
Mélanie Laurent (r) als Solistin in Das Konzert
Concorde
Mélanie Laurent (r) als Solistin in Das Konzert
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Am 29.07.2010 läuft bei uns Das Konzert, der neue Film von Radu Mihaileanu, in den Kinos an. In einem Interview erzählt der Regisseur vorab, warum man manchmal schwindeln muss, wenn man im Leben weiterkommen will.

Das Konzert erzählt die Geschichte von dem unzufriedenen und verzweifelten Andreï Filipov, der im Bolschoi-Theater als Putzkraft arbeitet. In jungen Jahren war er dort selbst ein erfolgreicher Dirigent, verlor aufgrund seiner politischen Überzeugung jedoch seinen Posten. Durch Zufall kommt ihm die Idee zu einem kleinen Betrug, mit welchem er wieder in die Liga der großen Dirigenten aufsteigen will. Mehr dazu erfahrt ihr nun im Interview mit dem Regisseur Radu Mihaileanu.

Was war für Sie der Anstoß, den Film Das Konzert zu drehen?
Radu Mihaileanu: Ein Produzent kam mit einem Exposé auf mich zu: Zwei junge Autoren hatten eine Geschichte über ein „falsches“ Bolschoi-Orchester in Paris geschrieben. Diese Grundidee gefiel mir sehr viel besser als der ganze Rest des Exposés, also bat ich den Produzenten, einen eigenen Stoff zu dem Thema entwickeln zu dürfen.

Wie ist das Drehbuch entstanden?
Radu Mihaileanu: Mein Mitarbeiter Alain-Michel Blanc und ich verbrachten zwei Wochen in Russland, um uns Anregungen von den Menschen dort zu holen. Wir kehrten mit enorm vielen Ideen, Szenen und Sprüchen zurück, die alle Eingang ins Drehbuch fanden. Das war 2002, vor dem Dreh von Geh und Lebe. Als Les Productions du Trésor sich des Projektes annahmen, überlegten wir eine Weile, den Film auf Englisch mit amerikanischen Darstellern zu drehen. Doch es sollte anders kommen, wir konzentrierten uns wieder auf die ursprünglichen Sprachen: Französisch und Russisch. Wie auch immer, mit dem neuen Trio aus Alain Attal, Alain-Michel Blanc und mir gewann das Drehbuch an Dichte.

In Das Konzert geht es einmal mehr um gutmütigen Schwindel.
Radu Mihaileanu: Dieses Thema findet immer wieder Eingang in meine Arbeiten, ich kann es irgendwie nicht vermeiden. Es mag daran liegen, dass mein Vater, der Buchman hieß, seinen Namen während des Krieges ändern musste um zu überleben. Als Mihaileanu schaffte er es sowohl durch die Nazi- als auch durch die Stalin-Diktatur. Das macht mich stolz, aber ich verspüre auch einen Identitätskonflikt. Ich habe lange darunter gelitten, dass ich überall, wo ich lebte, als Fremder angesehen wurde, sowohl in Frankreich als auch in Rumänien – und anderswo natürlich sowieso. Heute halte ich dies für eine meiner Stärken und bin froh, Insider und Outsider zugleich sein zu können. Vermutlich haben meine Figuren deshalb am Anfang einer Geschichte ähnliche Schwierigkeiten: sie müssen vorgeben, jemand anderes zu sein, um sich selbst zu befreien und auf andere zugehen zu können.

Was ist mit der „absoluten Harmonie“ gemeint, über die Andreï so oft spricht?
Radu Mihaileanu: Danach suchen meine russischen Charaktere, nachdem sie den Anschluss an die Gesellschaft verloren haben. An diesem Punkt waren wir alle schon einmal, verwundet vom Leben, in den Seilen hängend. Es ist schwierig, wieder aufzustehen, aber genau das versuchen die Figuren: Erst wollen sie ihr Selbstvertrauen zurückerlangen, dann wollen sie auch in den Augen der anderen wieder zu wertvollen Mitgliedern der Gemeinschaft werden. Um die absolute Harmonie zu finden, wenn auch nur für einen Moment – für die Länge eines Konzerts – und zu beweisen, dass sie noch die Kraft zum Träumen haben und die Kraft, für diese Träume einzustehen. Es ist auch eine Art Triumph über den Tod. Aber auch für Menschen, die niemals am Boden waren, gilt: Haben sie noch Träume, suchen sie noch nach dieser absoluten Harmonie? Sind sie noch in der Lage, Dinge zu verändern?

Die Aufnahmen des Konzerts zeugen von beeindruckender Virtuosität. Wie haben Sie sich vorbereitet?
Radu Mihaileanu: Das war ein sechs Monate andauernder Albtraum! Ich hatte Angst vor dieser Bühne, denn von ihr wird der Zuschauer aus dem Film entlassen, an sie wird er sich erinnern. Und ich hatte keinerlei Erfahrungen mit Dreharbeiten während klassischer Konzerte. Erst habe ich mir jeden Musikfilm dieser Welt angesehen, DVDs von Konzerten, Klassik, Rock usw. Dabei habe ich viel gelernt – die Sprache und die Bedeutung jedes einzelnen Instruments, in welchem Moment es wie gefilmt werden muss, um sein volles Potenzial zu entfalten.

Die Herausforderung bestand darin, spektakulär und modern zu sein, und dennoch der Geschichte und den Figuren treu zu bleiben und nichts zu übertreiben. Dann haben wir Musiklehrer angestellt, damit die Schauspieler glaubwürdige Musiker verkörpern konnten. Die Continuity haben wir von Einstellung zu Einstellung besonders sorgfältig durchgeplant. Wir hatten einen Haufen Aufzeichnungen, die sich nach den Notenblättern richteten und auf denen jede einzelne Figur vermerkt war. Beim Dreh arbeiteten wir mit drei Kameras von denen jede einen bestimmten Musiker oder eine bestimmte Abteilung in den Mittelpunkt stellte. Dies war umso schwieriger, als uns nur vier Tage zur Verfügung standen und ich so viel Druck wie möglich von den Schauspielern nehmen wollte. Und auch an die Flashbacks musste ich schon beim Dreh denken, damit ich diese optimal hineinmontieren konnte – in das Bild und in die Musik.

Das Konzert von Radu Mihaileanu ist nicht nur für Liebhaber der klassischen Musik sehenswert. Der Film kommt am 29.07.10 zu uns in die Kinos. Wo ihr ihn anschauen könnt, erfahrt ihr in unserem Kinoprogramm.

Mit Material von Concorde Film

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