Quatsch mit Soße - Von Supernasen & Schnarch-Attacken

02.10.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Louis de Funès in Balduin, der Schrecken von St. Tropez
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Louis de Funès in Balduin, der Schrecken von St. Tropez
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Ende Oktober kommt ein Kinderfilm ins Kino, der von seinem Verleih als herrlich köstlicher Quatsch beschrieben wird. Das ist schön, denn hierzulande mangelt es vor allem an Filmen, die anspruchsvollen Quatsch vollbringen. Höchste Zeit also für ein Plädoyer und eine dreiteilige Reihe zum Thema.

Federico Fellini hat einmal gesagt, er kenne keinen Film, der von so einer immensen Freiheit durchdrungen sei wie Der diskrete Charme der Bourgeoisie von Luis Buñuel. Das ist aus meiner Sicht eine sehr schöne und treffende Aussage über diesen berühmten Filmklassiker aus dem Jahr 1972, wobei mich wirklich interessiert hätte, worauf Fellini genau diese besondere Qualität des Films zurückführt. Bedauerlicherweise hat sich der italienische Großregisseur hierzu nicht weiter geäußert. Trotzdem lohnt es sich, den Gedanken Fellinis etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn er schneidet ein sehr interessantes Feld an, weil seine Aussage im Prinzip nahe legt, dass das Thema "Freiheit im Film" oft von jenen Werken sowohl formal als auch inhaltlich ausgelotet wird, die sich voll und ganz dem "Quatsch" verpflichtet fühlen - herrlich köstlichem Quatsch natürlich.

Es handelt sich in diesem Sinne zunächst einmal um Filme, die sich offensichtlich ihre Freiheiten nehmen, um ihre Geschichte "out of the box" zu erzählen, die zum Beispiel ihre eklatanten Handlungslücken (plot holes) (selbst)bewusst zur Schau tragen, das übliche Zeit-Raum-Gefüge sprengen und surreale, anarchische Elemente einstreuen (alles Punkte, die Buñuels Filme fraglos kennzeichnen). Ausdruck einer "freigeistigen" Herangehensweise mögen auch eine spielerische, unkonventionelle Inszenierung sein sowie die formulierte Absicht Genregrenzen zu überschreiten. Vor dem Hintergrund von Slapstick und Satire, von Parodien und Persiflagen, die allesamt etablierte Ausdrucksformen im Komödiengenre darstellen, erscheinen die letzten beiden Punkte für zwanglosen Kinoquatsch nicht unbedingt verpflichtend. Die Grenze, die zwischen den verschiedenen Formen von Quatsch verläuft, hat weniger mit handwerklicher Originalität und dem hohen Anspruch Sehgewohnheiten zu sprengen, zu tun. Sie lässt sich meines Erachtens viel mehr darüber bestimmen, auf welche Weise der dargestellte Quatsch im Kern zusammengehalten wird. 

Sich auflösende Logikwölkchen

Es gehört zum Common Sense des Kinos, dass vieles von dem, was Filme uns vorsetzen, jeder Logik entbehrt. Sonderbare, an den Haaren herbeigezogene Motive für dieses oder jenes sowie unglaubwürdige Wendungen und nicht nachvollziehbare Entscheidungen bestimmen oftmals das Geschehen. Das muss jedoch keineswegs den Unterhaltungswert schmälern, denn Logik spielt und spielte im Film schon immer eine untergeordnete Rolle. Was zählt, ist die Erzählung, mit Anfang, Mitte und Ende. Wer Filme danach abklopft, ob dieser Weg jederzeit plausibel verläuft, wird schnell den Spaß an der Sache verlieren. Irgendwas findet sich immer, irgendwas ist immer widersprüchlich und macht überhaupt keinen Sinn. Womit wir beim Stichwort angelangt sind. Filme, die sich dem Quatsch verpflichtet fühlen, wollen in der Mehrheit eines nämlich nicht: Sinn machen. Wenn überhaupt, nur auf eine blöde, unsinnige Weise.

Dabei gibt es einige Möglichkeiten dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen. In dieser dreiteiligen Reihe, die sich titelmäßig am TV-Klassiker Kinderquatsch mit Michael orientiert, sollen die besten Versuche versammelt und vorgestellt werden. Die Auswahl ist selbstverständlich höchst subjektiv (die Ikonen des Slapsticks fallen raus, da sie in ihrer eigenen Liga spielen). Wer das Unternehmen als Quatsch empfindet, hat meine volle Unterstützung. Im Mittelpunkt stehen die Film-Schnipsel. Eine tiefgründige Analyse ist zweitrangig. Ich bin mal so frei... 

Den Anfang macht: Quatsch mit Soße

Als Quatsch mit Soße will ich Filme bezeichnen, die häufig als "Klamotte" abgestempelt werden. Eine Filmklamotte wird in der Regel als "derbes, schwankhaftes Unterhaltungsstück, das nur alberne Späße aneinanderreiht" definiert. (Quelle ) Diese abwertende Einschätzung setzt sich im Englischen fort, wo Filmklamotten unter "Rubbish old movies" laufen. Beide Definitionen unterschlagen jedoch, dass diese Filme von vermeintlich geringer Qualität von vielen Filmliebhabern aus sehr unterschiedlichen Gründen mitunter sehr verehrt werden. Filmklamotten können durchaus über den Charme und Witz verfügen, um noch als ungemein sympathischer "Trash" durchzugehen. Denn eine plumpe Inszenierung, ein derber, platter Humor und dürftige Kalauer sind bei weitem kein Grund, sich beim Filmegucken nicht herrlich köstlich amüsieren zu können. 

Klamotten - Made in Germany

Zu den klassischen deutschen Filmklamotten gehören neben "Evergreens" wie Tante Trude aus Buxtehude (1971), Filme von und mit Dieter Hallervorden wie Didi - Der Doppelgänger (1984) oder Die Supernasen-Reihe mit Thomas Gottschalk und Mike Krüger (1981 bis 1985). Ich muss zugeben, dass ich mich nur sehr dunkel an die wirklich unterhaltsamen Aspekte dieser Streifen erinnern kann. Ein gelungenes Beispiel humoristischer Feinarbeit habe ich trotzdem gefunden, welches ich euch nicht vorenthalten will:

In bester Lübke-Englisch-Tradition (Wikipedia ) wird hier in einem TV-Englischkurs für Anfänger eine der bedeutendsten Figuren in der deutschen Literatur- und Filmgeschichte (Winnetou) wortwitzelnd für einen gar nicht so üblen Gag herangezogen. Einige Jahre zuvor schon hatte der Komiker Otto Waalkes in seinem "English for Runways" genannten Sprachkurs für Fortgeschrittene solche sinn-entstellten Stilblüten im deutschen Unterhaltungsprogramm sehr erfolgreich wiederbelebt. Im Film Die Supernasen, der sich überwiegend am deutschen Kino-Blödsinn der frühen 1960er Jahre orientierte, stellt diese Szene einen der seltenen Momente dar, im dem zeitgenössische Komik-Strömungen aufgenommen wurden. 

Klamotten in Designerqualität

Auch die Filme von Louis de Funès - vor allem jene aus seiner Balduin-Reihe - werden nicht selten in diesen Gefilden angesiedelt. De Funès' Stil kennzeichnen vor allem eine von Schadenfreude bestimmte Situationskomik, ein hohes Tempo, viele Kalauer und eben Gags in der Tradition der Filmklamotte. Aus einer Reihe urkomischer Nein!-Doch!-Ohh!-Sequenzen und nächtlicher Schnarch-Attacken hat mich besonders die wunderbare Sinnlosigkeit im folgenden Dialog aus dem Film Scharfe Kurven für Madame (1966) überzeugt:

In dieser Szene wird eine in Frankreich kollektiv verinnerlichte Bestellsituation nach allen Regeln der Kunst veräppelt. Der Ausgangspunkt dieses irrwitzigen Schauspiels ist die alles entscheidende Frage, welcher Wein sich für welche Speise an- bzw. gebietet. Der Gast verlangt eingangs sehr forsch nach einer Empfehlung des Kellners, um sogleich seine persönliche Vorliebe in den Mittelpunkt zu stellen. Die patzige Arroganz und die in Frankreich unsinnige Forderung nach einem halb-süßen Rebensaft setzen seinem substanzlosen Kennerschafts-Getue schließlich die Krone auf.

Klamotten reloaded

Selbst zeitgenössischer Klamauk kann mit Fug und Recht als Filmklamotte bezeichnet werden: Filme etwa wie Leg dich nicht mit Zohan an (Quatsch mit Humus), die Austin-Powers-Trilogie und - ihr möget es mir verzeihen - einige Streifen von Will Ferrell und seinem Frat Pack. Gerade um Anchorman - Die Legende von Ron Burgundy hat sich in den USA über die Jahre ein wahrer Kult entwickelt. Auf diesen herrlichen Blödsinn, den selbst Ron Burgundy schnurstracks als blanken Unsinn deklariert, kann ich an dieser Stelle selbstverständlich nicht verzichten:

In meinen Augen entwickelt der jetzt schon legendäre Sinnlos-Spruch "60% of the time, it works every time" seine eigentliche Raffinesse erst im Zusammenhang von "heißblütigen" Macho-Düften der 1970er Jahre. Schließlich nimmt er die oft scheinheiligen Versprechungen einer damals wie heute blühenden Industrie gekonnt und vollständig aufs Korn und entwickelt dadurch eine gewisse Doppelbödigkeit. 

Manche würden hierzu sagen: Das ist so schlecht, dass es schon wieder gut ist. Anderen geht es beim Anschauen eher so wie Enid in Ghost World, die einst (zugegebenermaßen in einem völlig anderen Kontext) sagte: "This is so bad, it's gone past good and back to bad again." Über ein "Geht-so-bis-ganz-gut" kommen die genannten Filme bei euch moviepiloten im Durchschnitt jedenfalls alle nicht hinaus. Anders die Filme, die ich im zweiten Teil dieser Reihe behandeln werde, die sich hier immerhin vereinzelt an der Grenze zum "Sehenswert" (7.0) bewegen. Nicht nur aus diesem Grund stellen sie für mich Beispiele für Quatsch mit Sahne(soße) dar. Aber dazu später mehr...

Mehr: Quatsch mit Sahne - Vom Weltraum in den Krimi

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