Pläydoyer für mehr weiblichen Dirty Talk

06.12.2011 - 08:50 Uhr
Mein Herz für Serie: Sex and the City
HBO
Mein Herz für Serie: Sex and the City
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Seit es Sex and the City nicht mehr gibt, wird meiner Meinung nach im Fernsehen von Frauen viel zu wenig über Sex geredet. Darum bekommen Carrie Bradshaw und Konsorten heute mein Herz für Serie.

Es gibt verschiedene Gründe, sich Sex and the City anzugucken. Wenn du eine Frau bist und etwas für stylische Klamotten, insbesondere Schuhe übrig hast, versorgt dich die Serie mit viel Inspiration. Wenn du eine alleinstehende Enddreißigerin bist, deren soziales Umfeld hauptsächlich aus ihren besten Freundinnen besteht, kannst du dich mit der Hauptfigur Carrie Bradshaw (Sarah Jessica Parker) identifizieren. Wenn du zu viel Geld hast und nicht weißt, ob du es lieber in ein teures Loft, Designerklamotten oder Sterne-Restaurants investieren sollst, erhältst du das beruhigende Gefühl, dass du damit nicht alleine bist.

Keiner dieser Gründe trifft auf mich zu. Ich wurde in meinem Abiturjahrgang zur schlecht gekleidetsten Person gewählt und war stolz darauf. Ich kann nicht auf Absatzschuhen laufen. Ich bin weit entfernt vom Ende der Dreißig, mein Freundeskreis war schon immer eher männerlastig und zu viel Geld war sicher nie mein Problem. Und doch habe ich die Serie um die New Yorker Kolummnistin Carrie Bradshaw, ihre Freundinnen Samantha (Kim Cattrall), Charlotte (Kristin Davis), und Miranda (Cynthia Nixon) und ihre Suche nach dem richtigen Mann geliebt.

Von Oralsexspuren und heißem Tee
Der größte Verdienst von Sex and the City ist in meinen Augen, dass Gespräche über Sexualität auch unter Frauen endlich salonfähig geworden sind. Meine Lieblingsfolge in diesem Zusammenhang ist die, in der Miranda ihren Freundinnen davon berichtet, ihr aktueller Liebhaber würde sich nach dem Oralverkehr nicht den Mund abwischen und immer, wenn sie jetzt einen glasierten Donut sehe, müsse sie an den Anblick seiner verschmierten Schnute denken. Ebenfalls hängen geblieben ist die Folge, in der Carrie an einen Mann gerät, der sie darum bittet, ihm auf den Bauch zu pinkeln und eine ihrer Freundinnen den Vorschlag macht, sie könne ja stattdessen heißen Tee über ihn laufen lassen.

Nicht, dass diese Dinge zu den größten Problemen meines Sexlebens gehören würden. Das sind dann eher… nein, das behalte ich lieber für mich. Wir sind hier ja immer noch im Internet. Das Entscheidende ist doch, dass über Dinge dieser Art geredet werden darf. Dass Frauen über Liebhaber verfügen, die zu heiraten nicht im entferntesten ihre Absicht ist, wird mit Sex and the City endlich mainstream. Ich will ja hier nicht schon wieder die Emmanze raushängen lassen, aber frau wird auch heutzutage oft noch schräg angeguckt, wenn sie über ihre Eroberungen tratscht, während Männern in dieser Situation bewundernd auf die Schulter geklopft wird. Zudem fällt es vielen Frauen nach wie vor schwer, ihre zuweilen problematischen Bettgeschichten mit ihresgleichen zu teilen, was oftmals dazu führt, dass die Damen sich irrtümlicherweise für eine Ausnahme halten und die unmöglichsten Dinge einfach hinnehmen. Kleenex-Box ans Bett, bitte abwischen, danke. Es kann doch so einfach sein!

Wo ist Mr. Big?
Der zweite Grund für mich, Sex and the City zu gucken, war Mr. Big. Nicht, weil ich Chris Noth besonders erotisch finde, sondern weil er für etwas steht: für den unerreichbaren Schwarm. Den gibt es für Frauen ebenso wie für Männer. Es handelt sich dabei um diese Person, die wir über lange Zeit aus der Entfernung anhimmeln, aber aus verschiedensten Umständen nie ganz für uns gewinnen können. Genau deshalb hat Mr. Big auch bis zum Ende der Serie keinen Vornamen: Er ist der unerreichbare Unbekannte. Immer wieder im Leben begegnen wir eben diesen Mr. Bigs, die uns für sich einnehmen, denen wir über ein paar Staffeln hinterherhecheln, die uns immer wieder aufs Kreuz legen (nicht immer nur im übertragenen Sinne) und von denen wir doch nicht lassen können.

Dass es Carrie Bradshaw am Ende der Serie gelingt, ihren Mr. Big zu domestizieren, habe ich der Serie ein bisschen übel genommen. Vielleicht liegt das daran, dass mein persönlicher Mr. Big sich nicht überzeugen ließ und ich bis heute darauf warte, dass ihm einmal in den Sinn kommt, die magischen Worte – „You’re the one“ – auszusprechen. Über diesem Abwarten werde ich vermutlich irgendwann als alleinstehende Enddreißigerin enden, deren soziales Umfeld hauptsächlich aus ihren Freundinnen besteht und deren Herz nur für ihre Schuhe schlägt.

Jenseits der New Yorker Schickeria
Sex and the City ist für manche Zuschauerinnen einfach nur ein Märchen vom Geldausgeben und Flachlegen hübsch anzusehender Männer. Das kann aber nicht alles gewesen sein, sonst ließe sich der breite Erfolg der Serie nicht erklären. Vielmehr sehen wir in Sex and the City intelligente und selbstständige Frauen, die sich von den Männern kaum ihr Leben diktieren lassen. Und das zieht eben nicht nur Schuhfetischistinnen, sondern auch selbsternannte Intellektuelle mit einem Hang zur Romantik an (ja, damit war ich gemeint).

Dieses Herz für Serie ist im Grunde ein Nachruf, denn Sex and the City fehlt mir. Ich wünsche mir wieder mehr weiblichen Dirty Talk im Fernsehen, mehr Frauen-Power und mehr Hoffnung auf Mr. Bigs Rückkehr. Aber bis es so weit ist, bringe ich mir vielleicht einfach mal bei, auf hohen Schuhen zu laufen.

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