Omar Little, der Robin Hood von Baltimore

25.01.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Omar Little - Robin Hood von Baltimore
HBO
Omar Little - Robin Hood von Baltimore
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The Wire ist eine Serie die eine Vielzahl von unglaublich guten Figuren hervorgebracht hat. Eine der vielseitigsten und ikonischsten Charaktere ist aber defintiv der Mann mit der Schrotflinte und dem Code: Omar Little.

Eigentlich könnte ich zum Thema Serienheld und The Wire gleich mindestens 10 Texte verfassen. Bereits mehrmals habe ich das 60 Stunden-Epos über den Niedergang der alten Industriestadt Baltimore gesehen. Und mit jedem Durchlauf kristallisiert sich eine andere Figur für einige Zeit als mein Liebling heraus. Einmal ist es der bullige Homicide-Detective Bunk Mooreland und dann wieder eine eher wenige präsente Figur, wie der großgewachsene Auftragskiller Slim Charles. Wahrscheinlich aber am kontroversten und deshalb vielleicht auch am interessantesten ist wohl immernoch die Figur des Drogenräubers mit der großen Schrotflinte. Darum möchte ich euch nach meiner allgemeinen Ode an The Wire heute meinen Serienheld Omar Little vorstellen.

Wer ist Omar Little?
Omar Little ist ein Baltimore Urgestein; “Born and raised”, wie man in den USA sagen würde. Er kennt die Stadt, ihre Straßenzüge sowie ihre versteckten Orte wie kein Anderer und nutzt dieses Wissen, um im tobenden Drogenkrieg seine ganze eigene Rolle zu spielen. Bewusst platziert sich Omar zwischen den Fronten. Weder steht er auf der Seite der Polizei, noch auf der der Dealer. Omar steht auf seiner eigenen Seite und spielt das gefährliche “Game” der Stadt mit ganz eigenen Regeln. Die Lager der großen Drogenringe dienen ihm als eine Art Supermarkt, in dem er sich mit gezogener Schrotflinte ein ums andere Mal bedient. Nicht um selbst zu konsumieren, sondern lediglich, um die Beute mit einem Gewinn an andere Dealer weiter zu verkaufen. Während einer Gerichtsverhandlung bezeichnet ihn der Anwalt der verfeindeten Barksdale Gang Maurcie Levy deshalb einmal als einen Parasiten. Omar gibt zu bedenken, dass der Anwalt nichts anderes sei, nur die Methoden seien unterschiedlich: “I got the shotgun, you got the briefcase.” Beide leben sie von den Machenschaften der Unterwelt Baltimores.

Mit dem Gesetz verbündet sich Omar nur, wenn er sich sicher ist, dass Personen gegen die inoffziellen Regel des tödlichen Spiels, welches auf Baltimores Straßen stattfindet, verstoßen haben. Sollte dies passieren, ist er bereit den Gesetzeshütern unter die Arme zu greifen. Sein Insiderwissen über den Aufenthalt jeglicher Personen oder Drogenverstecke ist wertvoller als jede Computerdatenbank, die den Ermittlern zur Verfügung steht. Klicken bei einem Gangster mal wieder die Handschellen oder wurde erneut ein Drogenversteck von Omar leer geräumt, ist der Hass der Dealer ultimativ. Nicht nur, dass der Robin Hood Baltimores ihnen das Geschäft kaputt macht. Die Gangsterbosse fühlen sich auf Grund Omars sexueller Neigung zusätzlich in ihrem Stolz verletzt. Omar steht auf Männer, ein Fakt, der seinen speziellen Status in einer Welt voller Drogen und Gewalt noch einmal unterstreicht.

Wie genau Omar zu dem wurde, der er ist, darüber erfährt der Zuschauer in The Wire nur wenig. Seine Vergangenheit bleibt weitestgehend im Dunkeln. Als Promotion für den Beginn der finalen Staffel der Serie haben die Macher von The Wire jedoch mehrere kleine Clips produziert, die die Kindheit einiger Figuren näher beleuchten. In einem dieser kurzen Videos ist auch ein junger Omar zu sehen. Gerade einmal 10 oder 11 Jahre alt begeht er gemeinsam mit zwei Freunden einen Raubüberfall auf einen Mann an einer Bushaltstelle. Als Omar merkt, dass es hier den Falschen, nämlich einen hart arbeitenden, rechtschaffenden Mann getroffen hat, zwingt er seinen Komplizen, das erbeutete Geld zurück zu geben. Offensichtlich liegt hier der Ursprung des moralischen Codes, dem sich Omar bei all seinen Handlungen verpflichtet fühlt. Gegen einen Unschuldigen oder Außenstehenden Bürger würde der so gennante “Homo-Thug” niemals vorgehen.

Warum Omar Little mein Serienheld ist
Omar Little ist für mich eine der faszinierendsten Figuren, die jemals in einem Film oder einer Serie zu sehen waren. Auf den ersten Blick prallen in seinem Charakter eine Unmenge von Widersprüchen aufeinander und doch verstehen es die brillianten Drehbuchautoren von The Wire ihn gleichzeitig unglaublich real und menschlich wirken zu lassen.

In der Welt Baltimores, die in The Wire gezeichnet wird, hat Omar bereits zu Beginn der Serie den Status einer Legende inne. Während andere sich schon mal eine Kugel einfangen, weil sie die falschen Turnschuhe tragen, reicht alleine Omars Anblick, um die jungen Drogendealer in Angst und Schrecken zu versetzen. Stets begleiten ihn Omar-Rufe, wenn er sich öffentlich durch die Straßen bewegt. Denn niemand möchte dem Mann mit der Shotgun unvorbereitet gegenüber stehen. Omar bewegt sich wie der große weiße Hai durch einen Schwarm kleiner Fische. Wenn er nur mit einem blauen Morgenmantel bekleidet, Cornflakes einkaufen geht und ihm aus purer Angst die Drogenpakete aus den Fenstern zugeworfen werden, dann dürfte das an Coolness nicht mehr zu überbieten sein. Wer sich in einer Stadt mit über 300 Morden im Jahr solch einen Ruf aufgebaut hat, dem gehört Respekt gezollt.

Doch Omar ist nicht einfach nur ein er cooler Gangster, der sein eigenes Ding durchzieht. Und schon gar nicht ist er ein skrupeloser Killer, auch wenn er nicht davor zurück schreckt, von seinen zahlreichen Schusswaffen Gebrauch zu machen. Omar ist vor allem ein Mann mit festen Prinzipien (“Got to have a code”). Dies ist ein Fakt, der den Robin Hood der Drogenwelt von beinahe allen anderen Figuren in The Wire unterscheidet. Nie würde er Freunde verraten und schon gar nicht verkaufen. Alles, was er tut, stimmt mit dem Code der Straße überrein und niemals würde er gegen diese ungeschriebenen Gesetze verstoßen. Trotz seiner widrigen Lebensumstände hat sich Omar eine gewisse Bescheidenheit bewahrt. Freundschaft und Vertrauen gehen ihm stets über Geld oder Ruhm. In einer Serie, in der immer wieder eine mehr oder weniger direkt Kapitalismuskritik durchscheint, steht Omar für scheinbar längst überholte Werte. Vielleicht ist dies auch einer der Gründe, warum sogar der einstige Idealist Barack Obama höchstpersönlich einen schwulen Gangster mit Pumpgun als seine liebste Serienfigur auserwählt hat. Und egal, wie ich sonst zum amerikanischen Präsident stehe, in diesem Fall kann ich nichts anderes tun, als mit Mr. Obama übereinzustimmen. Omar ist einzigartig und deshalb mein heutiger Serienheld.

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