Wie schaffe ich es am besten, eine Serie zu umreißen, die mich geprägt hat wie kaum eine andere, und die zusammengenommen über 700 Folgen hat? Die Antwort ist: gar nicht. Es gibt so viele Themen, die die Serie anschneidet, dass es mir schwerfällt, mich auf eine Sache zu beschränken. Und dennoch habe ich das Bedürfnis, genau über diese Serie zu schreiben, eben weil sie mich so geprägt hat. Zu keiner anderen Serie bin ich öfter zurückgekehrt, habe mir die Kämpfe bei Youtube immer wieder angeschaut, und wurde so lange von ihr begleitet. Die Serie, um die es geht, ist Naruto.
Naruto Uzumaki - Eine Reise beginnt
Naruto Uzumaki ist ein 12 jähriger Waisenjunge aus dem Dorf Konohagakure. Bei seiner Geburt wurde das neunschwänzige Fuchsungeheuer Kyubi in ihn versiegelt, der das Dorf angegriffen und viele Bewohner getötet hat. Aus Angst wird er von den anderen Dorfbewohnern gemieden, hat keine Freunde und versucht durch allerlei Schabernack Aufmerksamkeit zu bekommen. Sein Traum ist es, Hokage, das Dorfoberhaupt, zu werden, weil er dann von allen akzeptiert wird. Die Serie begleitet den jungen Ninja auf seinem Weg, diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen.
Mein erster Kontakt zu Naruto war bei RTL II. Mein Bruder und ich saßen nach der Schule auf der Couch und hatten schon unser Mittagessen zu uns genommen. Eigentlich sollten wir schon Hausaufgaben machen. "Gleich, Mama. Nur noch Naruto." Durch Glück sahen wir die erste Folge, Iruka opfert sich für Naruto, Naruto schafft es, Doppelgänger zu erschaffen, ich hatte mein Herz an Naruto verloren.
Wir schauten die Chunin Auswahlprüfung. Den Underdog Naruto, der gegen Neji gewinnt. Die Invasion Konohas. Alles haben wir im Nachmittagsprogramm von RTL II gesehen. Wenn der eine nicht konnte, erzählte ihm der andere, was passiert ist, und umgekehrt. Zum Ende der Serie, als Naruto gegen Sasuke kämpft, wurde sie fester Bestandteil meines Lebens. Das Youtube- Video vom Kampf, unterlegt mit In the End von Linkin Park, habe ich mir damals (als glühender Linkin Park-Fan) in Endlosschleife angeschaut.
Naruto Shippuden - Es wird düsterer
Nach einer kurzen Pause fing ich mit Naruto Shippuden an. Die Geschichte setzt zwei Jahre nach dem Kampf gegen Sasuke an. Naruto ist reifer geworden, hat neue Techniken erlernt und fühlt sich bereit, Sasuke zurückzuholen. Noch immer ist es sein Traum, Hokage zu werden. Doch einfacher wird das Vorhaben nicht, stärkere Gegner stellen sich in den Weg, und der Kyubi weckt Begehren bei einer dunklen Organisation.
Die Serie wurde härter, es gab weniger humoristische Elemente. Schon davor, aber insbesondere während dieser Zeit fiel mir auf, dass es zwei verschiedene Versionen gab. Zum einen die "kinderfreundliche" auf RTL II, und dann die in Originalsprache, die wesentlich blutiger ist. Ich steckte in einem Dilemma. Sollte ich die Serie nochmal anfangen und auf japanisch schauen? Ich entschloss mich, Naruto Shippuden noch einmal zu sehen, auch weil ich der Serie etwas Vorsprung lassen wollte.
Um ehrlich zu sein, habe ich nach dem Kampf Naruto gegen Pain zwar weitergeschaut, doch ich kam nur noch schleppend voran. Als die Serie geendet hat, habe ich mir den Rest natürlich angeschaut. Doch in meinem Gefühl war der vierte Ninjakrieg zu unübersichtlich, zu sehr von Füller-Episoden durchzogen. Füller haben ihre Daseinsberechtigung und helfen, die Charaktere und ihre Beziehungen zueinander besser zu verstehen. Doch sie wurden mir irgendwann zu viele. Was ist es also, was mich so lange an Naruto gebunden hat?
Was mich an Naruto fasziniert
Zum einen ist es der Charakter Naruto. Die Geschichte um einen Jungen, der von einer Gesellschaft gemieden wird, weil er etwas Unheimliches in sich trägt, und versucht, Freunde zu finden, hatte mich sofort. Den Willen Narutos, mit Sasuke befreundet zu sein, und sein Training, um seine Ziele zu erreichen, habe ich bewundert. Dann waren da natürlich all die anderen Charaktere, die ich ins Herz geschlossen habe. Die Komplexität, die mit der Serie zunahm, war eine Parabel meines eigenen Lebens. Sowohl Naruto als auch ich gingen etwa zur selben Zeit von der Kindheit ins Jugendalter und ins Erwachsenwerden, es war meine Bildungsserie. Viele der Themen haben mich angesprochen, ich konnte mich identifizieren.
Neben den sprechenden Namen wie Kakashi (Vogelscheuche), Uzumaki (Strudel) oder Ushiha (Fächer) fasziniert mich die Einbettung der japanischen Mythologie in Naruto. Etwa die Sage von Izanagi und Izanami und die Entstehungsgeschichte der Sonnengöttin Amaterasu, des Mondgotts Tsukiyomi und des Sturmgotts Susanoo. Diese Geschichte lässt sich bei Naruto finden, was mich, noch ehe ich von Kaguya im Anime wusste, sehr fasziniert hat. Sie brachte mich dazu, mich noch weiter mit der japanischen Mythologie zu beschäftigen.
Es gab Jahre, in denen ich keine einzige Folge von Naruto geschaut habe. Doch dann gab es Momente, in denen ich an Naruto denken musste und mir sagte: "Du solltest die Serie weiterschauen." Meist hatte ich aufgehört, weil es keine neuen Folgen gab. Ich wusste noch in etwa, wo ich aufgehört hatte, und setzte dort die Serie fort. Nicht nur ich selber, auch mein Bruder trug dazu bei, dass ich Naruto immer wieder schaute. Manchmal schaute er in seinem Zimmer Naruto, und beim Anblick der Serie kam bei mir ebenfalls das Bedürfnis auf, den Anime weiterzugucken.
Ich bin mit Narutos Werdegang und seiner immer komplexer werdenden Geschichte aufgewachsen. Durch den Anime habe ich mich tiefergehend mit anderen Themen beschäftigt. Es war die Mischung aus ernsten und lustigen Themen, die mich dazu brachte, den Anime mehrere Jahre zu verfolgen. Es ist auch eine Reise in meine Vergangenheit, in eine Zeit, in der ich mit meinem Bruder vor dem Fernseher saß und wir uns über Naruto unterhalten haben. Ich sollte ihn mal fragen, ob er die Serie zu Ende geguckt hat. Gerne erinnere ich mich an die Zeit, in der ich Naruto geschaut habe. Ich glaube, ich sollte wieder anfangen.
Was für Erinnerungen verbindet ihr mit Naruto?