Johnny Depp – vom Publikumsliebling zum Flopgarant

28.01.2015 - 08:50 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
In Ketten gelegt, trotzdem zappelnd: Johnny Depp als Barnabas Collins
Warner Bros.
In Ketten gelegt, trotzdem zappelnd: Johnny Depp als Barnabas Collins
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Das Kinopublikum scheint der skurrilen Rollen von Johnny Depp überdrüssig, obwohl es ihn mit ebensolchen zum bestbezahlten Schauspieler Hollywoods machte. Dieser Widerspruch passt gut zur Karriere eines Mannes, der ohnehin nie Star sein wollte.

Sofern Filmstarsein die Fähigkeit beschreibt, ein Publikum ebenso regelmäßig wie erfolgreich für unterschiedlichste Genres, Geschichten und Größenordnungen gewinnen zu können, ist Johnny Depp kein Filmstar. Und war es auch nie. Im Gegenteil: Starkonzepten und entsprechend personenfixierten Bedingungen hat er sich stets zu widersetzen gewusst. Lange Zeit war der interessante Widerspruch aus Popularität und bis zum Jahr 2003 auch garantiertem Kassengiftstatus eines seiner Markenzeichen. "Man(n) könnte Johnny Depp beneiden, wäre der Schauspieler nicht klug genug, den beständigen Blick auf seine glänzende Oberfläche als Zumutung zu begreifen", riss Alexandra Seitz in der Textsammlung "Göttliche Kerle" (2002) jenes Unbehagen mit dem Starsystem Hollywoods an, das Johnny Depp seit jeher demonstrativ ausstellt. Seine Kinokarriere ist geboren aus einer rebellischen Geste – zunächst gegen das Image des Teenie-Idols aus 21 Jump Street, dann gegen die nicht weniger selbstverschuldete Typisierung des verträumten Liebhabers (Arizona Dream, Don Juan DeMarco, Chocolat). Dass der seinerseits zwischen Verschrobenheit und Massenappeal mäandernde Regisseur Tim Burton in Johnny Depp schon früh ein Alter Ego identifizierte, kann der Charakterisierung eines allenfalls fragilen Filmstars nur zuspielen.

Vielleicht also handelt es sich um ein Missverständnis, wenn US-amerikanische Branchenblätter  und deutsche Feuilletons  zum kommerziell desaströsen Kinostart von Mortdecai - Der Teilzeitgauner nun eine Karriere in Gefahr sehen, um die sich Johnny Depp kaum selbst zu scheren scheint. Anders formuliert: Eine Karriere, die er nach dem milliardenschweren Fluch der Karibik als einnahmenbeteiligter Hauptdarsteller und neuerdings auch Produzent zwar finanziell auskostet, zugleich jedoch öffentlich verhöhnt. Johnny Depp ist niemand, der auf das dreifache Box-Office-Debakel aus Dark Shadows, Lone Ranger und Transcendence mit einer Kurskorrektur reagiert. Derartige Karrieremanöver wären Filmstars vorbehalten, falls es sie denn überhaupt noch gibt. Stattdessen trägt Johnny Depp seine Gleichgültigkeit gegenüber Starmechanismen dann erst recht vor sich her. "Wenn man mir so viel dummes Geld bezahlt", ließ er die Leser der Vanity Fair  wissen, "nehme ich es gern". Für den sehr wahrscheinlichen Fall, dass Zuschauer von seiner Rolle des Piraten Jack Sparrow einmal gelangweilt sein sollten, wird er sie nur umso lieber spielen, hieß es einst bei Larry King . Cover Boy, Sexiest Man Alive, Franchise-Zugpferd: Seit nunmehr 30 Jahren impliziert Johnny Depp, nicht Johnny Depp sein zu dürfen. Auch eine Art, in Hollywood durchzustarten.

Natürlich ist so ein Auftreten auch Koketterie. Unglaubwürdig aber ist es nicht. Etwas trist, das vielleicht schon eher: Johnny Depp, der die Berlin-Premiere  seines neuen Films mutmaßlich volltrunken besucht, statt souveräne PR-Arbeit zu absolvieren. Johnny Depp, der als stammelnder Jack Sparrow rein zufällig – und nur unter bestimmten Voraussetzungen – in die Starliga Hollywoods katapultiert wurde. Johnny Depp vor allem, der so engagiert gegen Stereotypen arbeitete, dass er selbst zu einem solchen geworden ist. Die Rolle des schrulligen Sonderlings, des unverstandenen Querkopfes, des ewigen Outcasts außer- wie innerhalb seiner Filme hat er zu einem eigenen Klischee gepflegt, dessen nicht nur das Massenpublikum, sondern auch Fans der ersten Stunde allmählich überdrüssig geworden sind. Alle einst so reizvollen Widersprüche, das Nichtreinpassenwollen und auch gar nicht Reinpassenkönnen, wirken darüber sogar harmonisiert: Johnny Depp scheint angekommen in einer Maschinerie gleichförmiger Rollen und Produktionen, bei der das vermeintlich Abseitige lange schon öder Mainstream ist.

Umso mehr schmerzt es, dass sich dieser Prozess ausgerechnet an der so produktiven wie freundschaftlichen Zusammenarbeit mit Tim Burton ablesen lässt – einer Kollaboration schließlich, die Johnny Depp überhaupt erst als großen Schauspieler entdeckte und ihm die besten Rollen seiner Karriere sicherte. Der behutsamen Zärtlichkeit eines Edward Scissorhands oder auch jener liebevollen Exzentrik, mit der Johnny Depp dem B-Movie-Regisseur Ed Wood ein Denkmal setzte, stehen im gemeinsamen Spätwerk bisweilen Performances gegenüber, deren schallende Exaltiertheit zum Selbstzweck verkommen scheint. Den verstiegenen Barnabas Collins zumindest spielte er selbstgefällig zur ambivalenzbefreiten Comedy-Figur herunter, den verrückten Hutmacher aus Alice im Wunderland gab er in gewohnter Montur und Maske – es waren gerade noch Abziehbilder typischer Burton-Figuren, deren einstmals queere Andersartigkeit zu normativer Programmatik mutiert ist. Wahlweise narkotische (The Tourist) oder seltsam fehlbesetzte (Public Enemies) Auftritte komplettierten zuletzt das unschöne Bild eines Schauspielers, der offenbar nur noch völlig drüber oder halt gar nicht mehr kann.

Johnny Depps Entwicklung vom sogenannten Charakterdarsteller (was immer das eigentlich bedeuten mag) zum Dauerclown des Mainstream-Kinos hat aber nicht nur etwas mit der Jacksparrowisierung seines Schauspielrepertoires zu tun. Wenn es diese Rolle war, mit der er unbedingt meinte, seinen Abwechslungsreichtum vorerst an die Bequemlichkeit des Disney-Getriebes abtreten zu müssen, dann war es die Vorliebe für den Schriftsteller und Gonzo-Journalisten Hunter S. Thompson, die dafür entsprechende Voraussetzungen schuf. Ihm ist Johnny Depp lange freundschaftlich verbunden, vielleicht sogar erlegen gewesen: Zwei Mal spielte er die Hauptrolle in Filmen nach dessen autobiographisch gefärbten Romanen, monatelang soll er sich in Hunter S. Thompsons Keller verbarrikadiert und Drogen genommen haben. Rückblickend muss man deshalb vielleicht tatsächlich von einem Johnny Depp vor und einem Johnny Depp nach Fear and Loathing in Las Vegas sprechen – als sei mit dem Film ein Wahnsinn freigesetzt worden, den auf der Leinwand selbst Tim Burton nicht immer zu kontrollieren weiß. Und der das Kino, trotz aller Einwände, wohl auch weiterhin vor manch interessante Herausforderung stellen dürfte. Mit oder ohne Publikum.

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