Jimmy Fallon in Deutschland - Viraler Spaß im Übermaß

28.01.2016 - 12:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Channing Tatum und Jimmy Fallon spielen Egg Russian Roulette
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Channing Tatum und Jimmy Fallon spielen Egg Russian Roulette
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Seit dieser Woche zeigt EinsFestival Jimmy Fallons Tonight Show, die ein virales Video nach dem anderen produziert. Aber wie sieht eigentlich seine Konkurrenz aus?

Habt ihr gesehen, wie Emma Stone Mini-Playback-Show-mäßig Ludacris-Verse nachrappt?  Oder wie Morgan Freeman bei einem Interview einen Luftballon voll Helium einsaugt ? Und Brad Pitt mit Schnauzer eine Breakdance-Konversation  führt? Die Wahrscheinlichkeit ist gar nicht mal gering, dass ihr in den letzten sechs Jahren über eines der tausenden YouTube-Videos von Jimmy Fallon gestolpert seid, vorzugsweise mit einem Hollywood-Star im Schlepptau. The Tonight Show Starring Jimmy Fallon ist das Flaggschiff der US-Late-Night-Landschaft, die ihre Zuschauer seit den 50er Jahren beim kuscheligen Wegdösen begleitet. In Deutschland haben sich über die Jahre Harald Schmidt, Stefan Raab und Jan Böhmermann an dem Format versucht, das wahlweise aus pointengefüllten Monologen, Sketchen, Interviews oder Musik besteht. An kultureller Relevanz und Vielfalt ist das US-Fernsehen in diesem Bereich allerdings schwerlich zu übertreffen. Seit dieser Woche zeigt EinsFestival Jimmy Fallons Tonight Show auch in Deutschland. Deswegen durchpflüge ich für euch heute die US-Late-Night-Landschaft. Die hält nämlich für jeden Geschmack etwas bereit, ob ihr euch nun nach Filmparodien oder komödiantischen politischen Analysen sehnt.

Die Gewissen der Nation
Eigentlich haben wir es hier mit einem Fernsehformat im Rentenalter zu tun. Mit ihrem fließbandtauglichen Schema stopfen Late-Night-Shows seit Jahrzehnten die Programmlücke zwischen der Prime Time, etwa Serien und Nachrichten, und der allabendlichen Zuschauerabwanderung in die verdiente Nachtruhe. Ihre Hosts erhalten hohe Gagen, doch die Sendungen selbst sind im Vergleich zu einer Dramaserie spottbillig, ein-, vier- oder fünfmal die Woche einsatzbereit und ideale Werbe-Vehikel für neue Filme, Serien und Schokoriegel. Überdies haben sie in den vergangenen Jahrzehnten tausende unangenehme Gespräche mit Kollegen an der Kaffeemaschine aufgelockert: "Hast du gesehen, wie Hugh Grant letzte Nacht über sein Prostituiertenabenteuer  geredet hat?" "Und was hat Joaquin Phoenix eigentlich vor seinem Auftritt  bei David Letterman eingeworfen?" Doch gab es früher nur eine Handvoll von Late-Night-Shows auf den Networks NBC und CBS, hat der Markt in den letzten 16 Jahren an Übersichtlichkeit eingebüßt. 2015 markierte in dieser Hinsicht einen Wendepunkt, denn mit David Letterman und Jon Stewart verließen die wohl angesehensten Late-Night-Talker der Nation ihren Posten.

In seiner satirischen The Daily Show sprach Jon Stewart seit 1999 das aus, worüber das liberale Amerika unter Bush und Obama insgeheim den Kopf schüttelte. Sein Nachfolger Trevor Noah hat seit September 2015 deshalb das wohl größte und unbequemste Paar Schuhe im US-Fernsehen zu füllen. Doch den einen Nachfolger von Jon Stewart gibt es im Grunde nicht. John Oliver, nebenberuflich unter anderem als alkoholisierter Psychologieprofessor in einem Community-College tätig, begann als Korrespondent in der Daily Show von Comedy Central, seit zwei Staffeln findet man ihn jeden Sonntag bei HBO. In der halbstündigen Show Last Week Tonight with John Oliver kommentiert auch Oliver die tagesaktuellen Nachrichten. Von Facebook-Feed zu Facebook-Feed wandern am Montag danach allerdings seine viertelstündigen Analysen von leider zeitlosen Problemkomplexen. Dazu zählen der unerklärte amerikanische Drohnenkrieg , Transgender-Rechte  und die Situation von Migranten in Europa . In diesen Video-Explainern gelingt Oliver idealerweise das Unmögliche: ein unglaublich vielschichtiges Thema verständlich zusammenzufassen und dabei das diffizile Gleichgewicht zu halten zwischen Aktivismus und Darstellung der Fakten. Um seine Argumente an den Zuschauer zu bringen, hat Oliver bereits eine echt falsche Kirche  gegründet und engagierte für ein syrisches Mädchen amerikanische Soap-Darsteller, um eine Szene ihrer Lieblingsserie zu spielen . Süße Hamstervideos und amüsant abwegige Vergleiche garnieren dieses akademische Viertel der YouTube-Welt.


Männer, die auf Grafiken starren
Verwandelt Oliver den satirischen Nachrichten-Kommentar in echten Journalismus, klopft Trevor Noah viermal die Woche den TV-Journalismus auf sein unfreiwilliges Satire-Potenzial ab. Als Moderator der Daily Show ist der südafrikanische Comedian noch ein Neuling. Seit seiner Amtsübernahme bewegt sich die Daily Show weg von ihrer Fixierung auf Fernsehnachrichten, etwa den konservativen FOX News. Nicht zuletzt wegen der sinkenden Zahl von Kabelabonnenten in den USA will Comedy Central seine wichtigste Late-Night-Show nämlich globaler und jünger aufstellen. Dabei ist zu hoffen, dass die Autoren Noahs (Außenseiter-)Perspektive auf die amerikanische Politik in den nächsten Monaten stärker herauskristallisieren. Bisher wirkt er überwiegend distanziert und amüsiert, selbst beim republikanischen Präsidentschaftsbewerber Donald Trump, dessen verbale Abführmittel, pardon, Reden Jon Stewarts Blut wohl zum Kochen gebracht hätten.

Genau wie Jon Stewart 1999 hat Trevor Noah eine Sendung mit klarer Ausrichtung geerbt, eine gut geölte Maschine, die auf alle Bedürfnisse ihres Besitzers ausgerichtet wurde. Wie immer bei Late-Night-Shows dauert es Jahre, um sich so ein Format anzueignen, und Comedy Central sollte in diesem Kontext auf jeden Fall Geduld zeigen. Fein für deutsche Zuschauer: Auf der Homepage des hiesigen Comedy Central-Ablegers  lässt sich die halbstündige Daily Show streamen.

Was viele Kritiker  in der Daily Show von Trevor Noah vermissen, liefert Larry Wilmore in seiner Nightly Show: aufrichtigen Zorn und moralische Appelle. Die Sendung von Stewarts ehemaligem "Senior Black Correspondent" hat sich auf das Leben von Menschen of Color in den USA spezialisiert. Während Noahs Daily Show die Nachrichtenaufreger für den Zuschauer mit Hilfe eines erleichternden Lachens verdaulich aufbereitet, tendiert der erfahrenere Wilmore zur Konfrontation in seinen Monologen. Der Unterhaltungsfaktor der Comedy-Segmente ohne Wilmore schwankt beträchtlich und so erscheint die erst seit Januar 2015 laufende Nightly Show mit ihren Diskussionen am runden Tisch ein wenig wie die intellektuelle, trockenere Variante der Daily Show.

Da die US-Fernsehzuschauer von monologisierenden Männern neben doppeldeutigen Grafik-Einblendungen offenbar nicht genug bekommen können, sprang der Trend vergangenes Jahr vom Kabelfernsehen auf die großen Networks und damit auf die Traditionsmarken unter den Late-Night-Shows über. Hierbei werden Shows politisiert, die sich in der Tradition von Johnny Carson normalerweise betont unpolitisch geben. Es geht nicht mehr länger um Spaß, über den Republikaner und Demokraten gleichermaßen unter der Bettdecke kichern dürfen.

Winkelzüge zu später Stunde
Eine verdächtige Wandlung hat in dieser Hinsicht Seth Meyers mit seiner NBC-Show Late Night durchgemacht, die vor ihm von David Letterman, Conan O'Brien und Jimmy Fallon geführt wurde. Der ehemalige Chefautor von Saturday Night Live kämpfte im ersten Jahr damit, sich auf dem überfüllten Markt zu profilieren. Anders als bei der Konkurrenz dümpelt der Late Night-YouTube-Kanal  zahlenmäßig eher vor sich hin, was auch an seiner altbackenen Präsentation liegen dürfte. Quotenmäßig kommt Meyers jedenfalls zugute, dass er als "Lead-in" die populäre Tonight Show mit Jimmy Fallon vorweisen kann. Und langsam scheint Meyers in seine Rolle als Antithese zu Fallon hineinzuwachsen. Während Fallon seine berühmten Gäste in harmlose Party-Spiele verwickelt, führt Meyers angenehm entspannte Gespräche, die sich nicht sklavisch der Pointensuche verschrieben haben. Sicher kein Zufall ist es, dass Meyers seine Sendung nach dem Abgang von Jon Stewart vermehrt in Richtung Politik lenkt. So führt er den Monolog, in dem der Late Night-Moderator traditionell die Sendung mit einer Reihe von Witzen zum Zeitgeschehen eröffnet, mittlerweile von seinem Schreibtisch aus. Natürlich mit Daily-Show-Gedächtnis-Grafiken.

Late Night-Shows leben von wiederholbaren Segmenten. So las David Letterman 30 Jahre seine Top 10-Listen vor, pflegt Jimmy Kimmel seine bösen Tweets und dreht Jimmy Fallon an seinem Wheel of Impressions . Als Seth Meyers überzeugendstes Segment hat sich das Erklärbärformat A Closer Look herausgestellt, in dem er fünf bis sechs Minuten lang humoristisch die Hintergründe einer Nachricht erläutert und ihre Ungereimtheiten entlarvt. Vorbilder wie John Oliver und Jon Stewart drängen sich dabei regelrecht ins Bild. Dass Meyers die Verlagerung ins Politische ausgerechnet in der Pause zwischen Stewarts Abgang und Trevor Noahs Premiere umgesetzt hat, ist einer dieser cleveren Winkelzüge, die als strategisches Drama der Late-Night-Welt schon ganze Bücher  gefüllt haben.


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