Jack Reacher 2 oder: Was tun mit alternden Actionhelden?

14.11.2016 - 09:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Tom Cruise in Jack Reacher 2: Es geht halt nicht ewig
Paramount Pictures
Tom Cruise in Jack Reacher 2: Es geht halt nicht ewig
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Das Durchschnittsalter von Actionhelden steigt immer weiter, mit zahlreichen negativen Konsequenzen. Lest, wie ausgerechnet Tom Cruise diesem Trend Positives abringt.

Actionhelden sind super. Sie haben quasi unzerstörbare Körper, die alles aushalten und überleben, immer einen sarkastischen Spruch parat, sie finden immer die Bösen und bestrafen sie, retten Frauen, Kinder oder die ganze Menschheit und das mit ein paar Fragen und vor allem einem Haufen Dresche und Explosionen.

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Wenn man ihn nicht nur innerfilmisch, sondern sozialkritisch betrachtet, ist der Actionheld die perfekte Verkörperung einer spezifischen, aber dominanten Idee von hegemonialer Maskulinität . Das heißt, dass, abgesehen davon, dass ein Actionheld möglichst weiß, Mittelklasse und heterosexuell sein sollte, er seine männliche Dominanz vor allem durch seinen harten, quasi unzerstörbaren Körper zeigt, mit dessen schierer Muskelkraft und einem dazugehörigen dominanten Verhalten er sich nicht nur absolute Freiheit und Individualität erarbeitet, sondern anderen auch seine eigenen Ideen und Moralitäten aufzwingen kann.

Aber diese Art von Maskulinität ist, bis auf ganz wenige Ausnahmen, etwas Unmögliches. Ein normaler Mann kann sie weder gänzlich umsetzen, noch wäre eine solche Umsetzung in irgendeiner Art plausibel oder gesellschaftskompatibel. Es ist eine Krux: Der "perfekte Mann", der dem Idealbild entspricht, ist gleichzeitig einer, der nur als Mythos oder Legende überhaupt stattfindet. Er ist eine Unmöglichkeit, an der sich Männer trotzdem messen lassen müssen ("Richtige" Männer heulen nicht rum, sondern machen. "Richtige" Männer sind stark und beschützen Frauen/Kinder etc. pp.). Umso wichtiger ist hier der Actionheld als Verkörperung des Unerreichbaren. Der Film ist eine riesige Empathiemaschine, aber auch eine, die immer und immer wieder Zuschauer mit ihren Figuren somatisch mitfühlen und für die Dauer des Filmes in gewisser Weise mit(er)leben lässt. Actionhelden erlauben jedem (übrigens auch Frauen etc.), die perfekte Maskulinität wenigstens empathisch zu erfahren. Das ist super. Wer wäre nicht gern in einem unzerstörbaren Körper, würde die Welt nach seinen Regeln und Belieben ändern, wäre dabei ein Held, und das mit coolen Sprüchen?

Actionhelden sind alt

Das Genre existiert spätestens seit Dirty Harry, manche argumentieren, dass Cary Grant in Alfred Hitchcocks Der unsichtbare Dritte schon ein Actionheld war. Aber es zeigt sich, dass auch die Akteure selbst immer älter werden. Im Jahr 2015 war das Durchschnittsalter aller Actionstars (in US-Mainstream-Filmen) 48,4 Jahre. Zehn Jahre zuvor lag der Durchschnitt bei 35,5 Jahren.

Für dieses Phänomen gibt es inzwischen sogar ein Wort: Geriaction. Aber woran liegt das? Nun, zum Einen kommen kaum neue Stars dieser Art nach. Das System hat sich geändert. Männliche Stars werden heute viel komplexer aufgebaut und vermarktet. Es geht viel mehr um gutes Aussehen, aber auch nuanciertere Backstories anstatt um Killerinstinkt, Kampfkünste und stahlharte Körper (einzige Ausnahme ist hier vielleicht Dwayne Johnson). Außerdem ist der Starkult der Altstars schuld. Stallone, Schwarzenegger und Co. sind als Actionstars konnotiert und (fast) nur dafür berühmt. Daher sorgen sie noch immer für eine gewisse Zugkraft. Das sieht man nachdrücklich an Filmen wie z. B. The Expendables 1 - 3 oder R.E.D. - Älter, härter, besser, die die geballte Namenspower ordentlich ausnutzen. Und es funktioniert. Meistens. Dieser Starkult, oft befeuert durch Nostalgie für frühere Zeiten, in denen man mit Rambo und Co. aufwuchs, übt aber auch einen gewissen Druck auf die Talente aus, weiter zu liefern. Außerdem bringt es Geld und Aufmerksamkeit, die man auch nicht missen will (oder kann). Aber es gibt noch einen anderen, sehr wichtigen Grund: Solange man die Rollen seiner Jugend, in denen man die Crème de la Crème der Männlichkeit verkörperte, noch spielen kann, ist man nicht alt und nutzlos. In gewisser Hinsicht frisst hier die Idee der hegemonialen Maskulinität die Verkörperer ihrer eigenen Legenden, wie in einer griechischen Tragödie.

Doch alles hat mal ein Ende

Meistens ein schreckliches. Wenn der Körper die fingierte Macht und Langlebigkeit einfach nicht mehr glaubwürdig darstellen kann, kippt oft das System. Die Empathiemaschine, die Möglichkeit der kurzen, karthartischen Identifikation mit dem Actionhelden versagt. Und dann steht das ehemalige Idol der Jugend plötzlich da und versagt, denn sein Altern zeigt so deutlich, dass wir alle sterblich sind, dass von dem schönen Schein von Macht und Jugend nichts bleibt. Und der ehemalige Star ist plötzlich jemand, der nicht in Würde altert. (I'm looking at you, "Alt, aber nicht obsolet" Terminator 5: Genisys).


Was also tun mit diesem Dilemma? Versuchen, es so lange wie möglich zu ignorieren und die Probleme damit überspielen, sie in alten Referenzen und augenzwinkernder Komik zu ertränken, in der Hoffnung, dass man durch eine Art ironische Brechung überlebt, so wie es die Expendables tun?

Es gibt da jemanden, der eine recht clevere Antwort zu haben scheint. Und das ist ausgerechnet Tom Cruise.

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