Getting On feiert die heimlichen Heldinnen des Krankenhauses

17.08.2017 - 08:50 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Getting On: Vier Engel für die GeriatrischeHBO
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Die Beliebtheit von Krankenhausserien ist ungebrochen, denken wir nur an Grey's Anatomy. In meinem heutigen Herz für Serie stelle ich euch mit Getting On eine etwas andere Serie aus diesem Genre vor.

In der TV-Landschaft der USA vergeht keine Pilot-Saison, in der nicht mindestens eine neue Krankenhausserie um die Aufmerksamkeit der Zuschauer buhlt. Ein weltweites Publikum erfreut sich seit Jahrzehnten an den Abenteuern der Götter in Weiß und ihrem Kampf, Patienten am schrecklichsten Tag ihres Lebens beizustehen und letzteres zu retten. Dabei mausert sich ein Großteil der Zuschauer zu Hobby-Doktoren und ein Teil der Medizin-Studenten, die derzeit die Universitätsbänke weltweit drücken, wurden in ihrem Berufswunsch von Serien wie Grey's Anatomy, Emergency Room oder MASH inspiriert. Die meisten erfolgreichen Serien dieses Genres haben dabei eine Sache gemeinsam: Im Zentrum stehen hauptsächlich Ärzte und Ärztinnen. Eine angenehme Ausnahme von der Regel stellt die enttäuschend unbekannte Krankenhausserien-Perle Getting On – Fiese alte Knochen dar.

Finde die Krankenschwester

Aus einer Krankenpfleger-und-Schwestern-Familie stammend, schaute ich bereits in meiner Kindheit Emergency Room und verfolgte wöchentlich gebannt die Abenteuer der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Notaufnahme. In dieser war das Pflegepersonal zwar ein wichtiger Teil des Teams, unter die Hauptfiguren schaffte es aber in der Regel nur jeweils eine Krankenschwester. In Grey's Anatomy sind die einzigen beiden Figuren des Pflegepersonals, die in Erinnerung bleiben, die Krankenschwester, die George einen Tripper gab, und der Pfleger, der die jungen Ärzte umherscheucht. Wie wichtig Krankenschwestern und -pfleger sind, haben bislang nur wenige TV-Serien erfolgreich inszeniert. Ein Paradebeispiel: Getting On.

Götter und Göttinnen in weiß und Carol

Willkommen in der Billy Barnes Extended Care Unit

Getting On basiert auf der britischen Serie Getting On, die zwischen 2009 und 2012 auf BBC Four lief. Ein Jahr später wurden die Tore der Billy Barnes Extended Care Unit im amerikanischen Remake geöffnet und blieben es ihrerseits drei Jahre. Im Zentrum dieser stehen drei Personen des Pflegepersonals und eine Ärztin. Über drei Staffeln oder 18 Folgen können Zuschauer in der Dramedy Getting On hinter die Kulissen der Arbeit in einer geriatrischen Einrichtung blicken und dabei aus lautem Halse lachen oder eine Träne aus dem Augenwinkel wischen.

Die Pilot-Folge von Getting On markiert den ersten Arbeitstag von Schwester Didi Ortley (Niecy Nash) in der geriatrischen Einrichtung der Billy Barnes Extended Care Unit des Mount Palms Memorial Hospital in Long Beach, Kalifornien. Sie ist eine empathische und idealistische Figur, die den weiblichen Patientinnen in der Einrichtung ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich gestalten will. Kurzum: Sie ist das Ebenbild einer kompetenten Schwester, wie wir sie uns im Krankenhaus wünschen. Wie auch in der Realität gibt es aber auch in Getting On Gegenbeispiele.

Didi Ortley und Dawn Forchette

Didis Chefin ist Oberschwester Dawn Forchette (Alex Borstein). Dieser gelingt es nicht, ihre eigene Labilität und Unsicherheit aus der Arbeit in der geriatrischen Einrichtung rauszuhalten und sie erleidet so im Verlauf der Serie diverse emotionale Zusammenbrüche. Dawn ist extrem bedürftig und kann es nur schwer ertragen, wenn Didi den Patientinnen mehr Aufmerksamkeit schenkt, während sie sich selbst als Leidtragende sieht. Sie ist in der Pflege nicht gut aufgehoben, da es ihr nicht gelingt den Fokus auf das Wesentliche - die Patientinnen - zu setzen.

Die dritte Person im Bunde der Pflege-Belegschaft ist Patsy De La Serda (Mel Rodriguez), die Pflegedienstleitung. Patsy ist ein übergewichtiger, äußerst sensibler Mann, der zweifellos schwul ist. Dies scheint allen aufzufallen, außer Patsy selbst und Dawn, die sich in ihn verliebt. Sie kommen sich näher, was für Patsy den Versuch darstellt, seine eigene Homosexualität weiter zu verleugnen, und für Dawn den vermeintlichen Beginn einer Beziehung einläutet. Weitere emotionale Ausbrüche sind vorprogrammiert.

Gemeinsam sind sie für das pflegerische Wohl der Patientinnen zuständig. Wie anstrengend und zum Teil frustrierend dieser - oft belächelte - Beruf ist und sein kann, zeigt Getting On authentisch und meist mit einem Augenzwinkern in all seinen Facetten. Unterbesetzt, überarbeitet und zum Teil allein für 20 Patientinnen zuständig, bleibt auch in der HBO-Serie manchmal nur Zeit für das Nötigste. Dabei hilft es nicht, wenn die Station von einer verständnislosen Ärztin geleitet wird. Sie erinnert zudem das Pflegepersonal gerne daran, dass es im Krankenhaus eine Hierarchie gibt, in der sie klar oben steht.

Patsy De La Serda

Dr. Jenna James

Dr. Jenna James (Laurie Metcalf) ist der Typ Ärztin, wie sie in jedem Krankenhaus anzutreffen ist. Sie ist unempathisch, sieht sich selbst aber als äußerst einfühlsam, ignoriert die Bedürfnisse ihrer Patientinnen und ist ausschließlich an ihrem eigenen Erfolg und Geld interessiert. Sie fühlt sich von ihren Kollegen missverstanden und sieht ihre Arbeit in der geriatrischen Einrichtung als eine Art Bestrafung. Auch in der Billy Barnes Extended Care Unit eckt sie oft mit dem Personal an. Insbesondere mit Dawn führt sie eine sehr angespannte Beziehung. Sofern sie auf ihre Unzulänglichkeiten angesprochen wird, folgt ein Monolog, in dem Dr. Jenna James sich selbst als Opfer des Systems inszeniert.

Dr. Jenna James

Die Patientinnen

Nicht zu vergessen sind zudem die Patientinnen und ihre Angehörigen. Durch den Umgang mit ihnen lernen wir als Zuschauer die vier Protagonisten besser kennen, sowohl privat als auch beruflich. Hier sehen wir das Einfühlungsvermögen Didis, die Unfähigkeit Dawns, ihre privaten Probleme zu Hause zu lassen, Jennas soziale Inkompetenz und Patsys Empfindlichkeit. Im Umgang mit den Patientinnen passieren einige der lustigsten Momente und es gelang den Showrunnern einige namhafte Gaststars zu verpflichten. In einer der köstlichsten Rollen ist die Oscar-nominierte June Squibb zu sehen. Sie spielt eine Frau mit einer Persönlichkeitsstörung, die aufgrund der Nicht-Einnahme ihrer Medikamente ein starkes Nähe-Distanz-Problem entwickelt. Seht selbst:

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Lachen, Weinen, Nicken.

Getting On wurde primär als Comedy-Serie vermarktet. Und das auch - zu großem Teil -zurecht. So entstehen in den 18 Folgen der HBO-Serie die skurrilsten Momente, in denen Zuschauer mal laut aus vollem Hals lachen und mal heimlich hinter vorgehaltener Hand, da der Humor in Getting On oft genug auf der feinen Linie zwischen offensichtlich witzig und makaber balanciert. Die Serie spielt dennoch in einer geriatrischen Einrichtung und so werden die Figuren und auch Zuschauer mit dem Tod konfrontiert. Insbesondere die Authentizität der Serie und die Darstellung des Todes kann bei dem einen oder anderen Zuschauer zu einem traurigen Moment des Erinnerns führen. Ich ertappte mich neben dem Lachen und Weinen oft beim Nicken.

Zu oft gelingt es Getting On den Alltag in einer Einrichtung, die nicht so glamourös ist wie die Notaufnahme oder der OP, derart realitätsgetreu zu inszenieren. Neben den Ärzten ohne Feingefühl und der körperlich anstrengenden Arbeit wird zudem erschreckend authentisch gezeigt, wie unwichtig letzten Endes die alten Patientinnen im Blick auf das Krankenhaus insgesamt sind. Budget-Kämpfe werden geführt, die Schwestern müssen um jeden Cent feilschen und verdienen dennoch nicht genug.

Getting On: Die drei Damen aus der Geriatrischen

Getting On ist nicht so spannend wie Emergency Room. Die privaten Verstrickungen sind bei Weitem nicht so verheddert wie in Grey's Anatomy. Bei den Patientinnen werden keine seltenen Krankheiten à la Dr. House diagnostiziert. Was Getting On aber schafft ist es, uns zum Lachen, Weinen und Nachdenken zu bringen. Und insbesondere bietet die TV-Serie eine Plattform für eine der wichtigsten und am wenigsten wertgeschätzten Berufsgruppen in unserem Land: Gesundheits- und Krankenpfleger. Alleine deswegen solltet ihr euch die Serie anschauen.

Habt ihr Getting On geschaut?

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