Forrest Gump - Mehr als nur ein Filmheld der 90er

30.04.2017 - 09:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Forrest GumpUnited International Pictures/Webedia
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Forrest Gump siegte jüngst und in unserem großen Voting-Turnier zum besten Filmhelden der 90er. Eine Wahl, die auf viel Zustimmung trifft, und das nicht grundlos.

"[...] Forrest Gump handelt nicht von Politik oder konservativen Werten. Es geht um Menschlichkeit, es geht um Respekt, Toleranz und bedingungslose Liebe."

So beschrieb Mitproduzent Steve Tisch den titelgebenden Helden des 1994 erschienenen, tragikomischen Forrest Gump. In unserem großen moviepilot-Voting-Turnier zum besten Filmhelden der 90er kürten wir die berühmte Filmfigur nach eurer Wahl kürzlich zum Sieger. Mit dem Gewinner gehen dann auch, darauf lassen die nur vereinzelten Gegenstimmen schließen, die meisten offenbar d'accord. Tischs Ausführungen sind nicht unwahr und zeigen das Bild einer Filmfigur, die nicht nur die inzwischen 23 Jahre überdauert hat, sondern als hochaktueller Balsam erscheint in einer Zeit, in der Abschottung und Zwietracht medienwirksam Gehör finden und täglich ein Bild der bevorstehenden Apokalypse heraufbeschworen wird.

Regisseur Robert Zemeckis sagte über Winston Grooms Buchvorlage von Forrest Gump, dass sie "zynischer und kälter als der Film war." Zynismus und Kälte liegen seiner Filmfigur fern. Im Grunde verkörpert sie vieles von dem, was wir sein wollen, trotz oder vielmehr insbesondere wegen ihres fehlenden Intellekts. Er mag in Zeiten der vielzitierten Aufklärung nicht als schlau, clever, geschweige denn als Genie gelten. Sein Leben ist pure Lebendigkeit und Emotion, eine von naiver Freude getragene Reise der Toleranz und Offenheit. Liegt denn hier nicht wahre Genialität verborgen?

Romantik in Vietnam, oder: Die Gump'sche Allegorie

Nach Meinung manch Kritiker gewiss nicht: Forrest Gump wird nicht selten als jemand betrachtet, der nur Befehle entgegennehmen würde. Der Film zeichne ein allzu weiches Bild der USA. So widmet sich schließlich ein Kapitel des Films dem Vietnam-Krieg. Seiner großen Liebe Jenny (Robin Wright) antwortet er auf die Frage, ob er denn keine Angst gehabt hätte: "Ja. Ich meine ... ich weiß es nicht. Manchmal, da hat es so lange aufgehört zu regnen, dass man die Sterne sehen konnte ... und dann war es schön." Der Vorwurf der romantischen Verklärung liegt auf der Hand, greift im Gesamtkonzept des Films aber augenscheinlich viel zu kurz.

"Im Film ist Gump ein gänzlich anständiger Charakter, immer wahr seinem Wort gegenüber. Er hat keine Agenda und keine Meinung außer bezüglich Jenny, seiner Mutter [gespielt von Sally Field] und Gott", so Robert Zemeckis über seine Version des vom Tom Hanks verkörperten Titelhelden. Man könnte ebenso sagen, es handle sich um einen nahezu neutralen Charakter, der es vielmehr uns aus dieser, seiner Perspektive überlässt, zu den weltpolitischen wie gesellschaftsrelevanten Dingen Stellung zu beziehen. Oder eben nicht. Zemeckis hatte nicht die Absicht, einen politisierten Film zu drehen, denn im Kern ist und bleibt Forrest Gump ein Märchen mit Botschaft, vielmehr eine universell verständliche Allegorie denn provokante Zeigefinger-Schau.

"Ich bin kein kluger Mann ... aber ich weiß, was Liebe ist."

Der Regisseur und sein Team haben nach eigener Aussage die Kernelemente des Buches umgedreht, sodass die Liebesgeschichte primäres und die fantastischen Abenteuer sekundäres Element wurden. Erstere ist somit die treibende Kraft hinter Forrest Gump, um die sich alle Ereignisse im Weiteren drehen. Den Rüpeln aus der Kindheit, die ihn wegen seiner leichten Zurückgebliebenheit und körperlichen Probleme - als Kind trägt er eine Zeit lang Beinprothesen - hänseln und quälen, schlägt er nicht etwa die Zähne aus. Er rennt davon. Als Tischtennis-Ass avanciert er vorbehaltslos zum Symbol der Annäherung zwischen den Vereinigten Staaten und China, Stichwort: Ping-Pong-Diplomatie. Und schließlich findet sich in Jenny das ihn ständig begleitende Motiv der (unerfüllten) Liebe, das uns allen gemein ist: "Ich bin kein kluger Mann ... aber ich weiß, was Liebe ist."

Stellen wir uns Forrest Gump für einen Moment als zurückpöbelnden Zeitgenossen vor, der Gewalt mit Gewalt vergeltet und sich womöglich weigert, in das damalige, von vielen Landsmännern mit Vorurteilen skeptisch gesehene Mao-China zu reisen. Sätze wie diese, hätte es nicht gegeben: "[Die] Menschen sind wie wir. Sie sind real, sie sind aufrichtig, sie haben Gefühle. Ich habe Freunde gemacht, ich habe aufrichtige Freunde gemacht, weißt du." Es handelt sich hierbei um kein Filmzitat, sondern die Aussage eines damaligen Spielers  bei der Rückkehr in die USA und zeigt in ihrer positiven Verwunderung auch die dahinter schlummernde vorurteilisbehaftete Verzerrtheit. Dieser Zusammenhang zwischen Fiktion und Historie, mit Forrest Gump als offenherzigem Bindeglied, ist dann auch der Kern, in welchem die optimistische Aussage des Filmmärchens voll aufkeimen kann. Und seit wann wurde Märchen ihre narrative Realitätsferne angekreidet?

Forrest Gump ist über allem ein Symbol. Ein Sinnbild, dass der Film in Form seiner überhöhten Zufälligkeit bzw. Schicksalshaftigkeit (an welchen Großereignissen war Forrest eigentlich nicht beteiligt?) offen vor sich herträgt. Er ist die Manifestation universeller Werte, vor allem der Liebe, und eine Ode ans Gemeinsame, der Offenheit, dem Wagemut, der Sorglosigkeit und dem Leben per se. So gesehen ein verdienter, von euch gewählter Filmheld der 90er. Und darüber hinaus.

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