Ebbe und Flut: Mord an Bord

25.05.2009 - 07:00 Uhr
Tatort: Schiffe versenken
Radio Bremen
Tatort: Schiffe versenken
Den Tatort verschlägt es diesmal auf die See: Ein toter Seemann wirft Fragen auf.

Sie heißt Karina, sie ist dick und sie wird primär von Russen bestiegen. Außerdem ist sie ein Containerschiff und als solches auch schwer beladen. Nicht nur mit allerlei legalen und illegalen Gütern, sondern auch mit Tatort-Kommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel), die einem Mörder auf der Spur ist, während Kollege Stedefreud (Oliver Mommsen) in Bremerhaven recherchiert. Mit wunderbar klaustrophobischen Bildern, durch die Bank weg guten Darstellern und einem – man höre und staune – durchaus spannenden Drehbuch wusste der Tatort: Schiffe versenken gestern Abend zu überzeugen.

Ein anstrengender Tag

Erst versucht jemand, sie umzubringen. Dann wird sie in eine Kabine gesperrt. Und zu guter Letzt versucht jemand, sie zu vergewaltigen: Ein anstrengender Tag im Leben der Kommissarin Lürsen. Sie vermutet an Bord der MS Karina den Mörder des zweiten Offiziers und gerät bei ihren Befragungen nicht nur an die Grenzen ihres Einflussbereiches (außerhalb der 12-Meilen-Zone herrscht nämlich das Gesetz der freien See). Sie gerät auch mit der Frauen verachtenden Crew des Containerschiffes in Konflikt.

Alle verhalten sich irgendwie verdächtig und schauen grimmig. Daher rührt auch die durchweg gehaltene Spannung: Der Zuschauer ist sich völlig im Unklaren darüber, wer der Mörder ist. Jeder könnte es sein und auch niemand. Stedefreud mit seinen Recherchen in Bremerhaven deckt Stück für Stück Teile des Puzzles auf; der Rhythmus, mit denen sich die Szenen auf dem Schiffen und die Szenen auf dem Land abwechseln, weiß dramaturgisch Sinn zu machen und zu überzeugen.

Das Drehbuch hat dabei den einen oder anderen Kniff parat, um auf die falsche Fährte zu locken. Mehrere Überraschungsmomente lassen im Kopf zusammengedachte Thesen nichtig werden; so macht das Miträtseln tatsächlich Spaß, wenn auch die Auflösung letztendlich wenig spektakulär ist:

Menschenleben aus Profitgier riskieren

Um mehr Güter transportieren zu können, wurden mit dem Wissen der Reederin Julia Delius (Ina Weisse) zwei Ballasttanks geleert. Das ist lebensgefährlich, weil dadurch das Schiff instabil wird und bei einem heftigen Sturm leicht umkippen kann aufgrund der Überladung. Dieser Umstand wurde bei einer Fahrt vom zweiten Offizier zufällig aufgedeckt und fotografiert. Der Komplize der Reederin, der erste Offizier Sondergard (Carsten Norgaard), musste den Seemann ermorden, sah aber anscheinend nicht, dass dieser die Speicherkarte seiner Digitalkamera mit belastendem Material verschluckt hatte. Dank der Obduktion und einem Blick in den Magen konnte das Beweisstück sichergestellt und – modern, modern – die Fotos über das Internet an das Schiff gesendet und dort von der Kommissarin mit einem Farbdrucker (!) ausgedruckt werden. Der Kapitän (herrlich: Michael Gwisdek), ein Säufer, wie sich rausstellt, und völlig harmlos, lässt sich überzeugen, in die Tanks zu schauen – der Rest ist dann Routine: Mit einer List wird dem ersten Offizier ein Geständnis entlockt. Süß: Hauptkommissarin Lürsen mit einer Waffe in der Hand im brutalsten Sturm; sie zittert so heftig, dass die Vermutung naheliegt, sie würde da einen Milchshake machen.

Ein gelungener Tatort

Der Tatort gibt Woche für Woche sehr gute Gründe, ihn zu hassen: Hanebüchene Drehbücher und Kommissare mit dem Charme von Heizkörpern ermitteln gegen aufgesetzt wirkende Verbrecher mit den absurdesten Motiven. Alle paar Monate kommt aber sowas daher: Tatort: Schiffe versenken gefällt aufgrund des sympathischen Ermittler-Duos, einem spannenden Fall und interessanten Charakteren. Auch wenn die Crew mit russischen Akzenten oftmals ein wenig überzeichnet wirkt („Klo gut, alles gut!“), geht einem das profitorientierte Verhalten der Reederin durchaus nahe. Der Alltag der Seemänner ist hart, das Problem des rechtsfreien Raumes ein tatsächlich existierender. „Das Leben eines Seemannes hat auch heute wenig Wert“, sagt Drehbuchautor Wilfried Huismann.

In diesem Zusammenhang ist der größte Kritikpunkt dieses gelungenen Tatorts tatsächlich der extrem dumme und unpassende Titel.

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