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Dunkirk - Der andere Kriegsfilm

15.09.2017 - 19:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Dunkirk
Warner Bros.
Dunkirk
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Dunkirk war für mich das Highlight des Kinosommers 2017. In einem Sommer, der ansonsten größtenteils von gescheiterten Sequels und Remakes bestimmt wurde, war Dunkirk die positive Ausnahme. Das Verblüffende ist jedoch, dass Christopher Nolan mit Dunkirk einen Film ablieferte, der einerseits ein typischer "Nolan Film" ist, andererseits ist Dunkirk vielleicht der Film, der sich am meisten von Nolans vorherigen Werken unterscheidet.

Ich muss zugeben, als Christopher Nolan vor einiger Zeit ankündigte, einen Film zum Zweiten Weltkrieg zu drehen, war ich zu Beginn etwas kritisch. Schließlich wurden die beiden Weltkriege schon viele Male filmisch umgesetzt und ich bezweifelte ob Christopher Nolan diesem mittlerweile doch recht abgegrasten Genre noch etwas hinzufügen konnte.

Doch Christopher Nolan hat es mal wieder geschafft. Dunkirk ist ein genialer Film geworden, dem es tatsächlich gelingt den Ereignissen von Dünkirchen eine völlig neue filmische Perspektive zu geben. Dem Weltkriegsgenre lässt sich also doch noch etwas abgewinnen, und im Nachhinein habe ich fast schon ein schlechtes Gewissen, dass ich zu Beginn an Nolan und seinem neusten Filmprojekt gezweifelt habe.

Das Interessante ist, dass Dunkirk einerseits ein typischer Nolan Film ist, sich in anderen Bereichen aber deutlich von Nolans vorherigen Filmen unterscheidet.

Da wäre zum einen das allgemeine Thema und Genre des Films. Ein Kriegsfilm wie Dunkirk ist eine Premiere für Christopher Nolan, der mit seinen letzten Filmen vor allem im Sci-Fi Genre zu finden war. Interstellar, Inception, die Batman Trilogie oder auch frühere Werke wie Insomnia und Memento erscheinen im ersten Moment ziemlich weit weg von einem Film mit dem Thema 2. Weltkrieg.

Nächster Punkt: "Mindfuck". Nolans Filme zeichnen sich sehr oft dadurch aus, dass sie uns als Zuschauer mit unerwarteten Wendungen überraschen. Sei es Memento, Prestige oder Inception - sie alle steuern eine Zeit lang in eine bestimmte Richtung, nur um dann plötzlich eine Kehrtwende zu machen und uns ein paar Rätsel mit auf den Weg zu geben. "Mindfuck" eben. Passt das zu einem Kriegsfilm wie Dunkirk? Eigentlich eher nicht. Auch deshalb war ich zu Beginn leicht skeptisch, ob und wie Nolan seinen individuellen Stil in Dunkirk zum Ausdruck bringen könnte. Obwohl Dunkirk keinen echten "Mindfuck" Moment hat, den der Film auch meiner Meinung nach nicht braucht, gibt es dennoch einen kleinen Überraschungsmoment, als die britischen Soldaten herausfinden, dass einer von ihnen ein französischer Soldat ist. Für mich übrigens eine der stärksten Szenen des Films, nicht wegen des Überraschungsmoments, sondern eher in Bezug auf die Reaktion der Soldaten. Dunkirk braucht keinen "Mindfuck" Moment, um den Zuschauer zu schockieren. Der Krieg und die Erlebnisse der Soldaten reichen völlig aus.

Auch beim Thema Laufzeit unterscheidet sich Dunkirk von Nolans früheren Filmen. Verglichen mit Filmen wie Interstellar (169 Minuten), Inception (148 Minuten) oder The Dark Knight Rises (164 Minuten) ist Dunkirk mit gerade mal 107 Minuten Laufzeit erstaunlich kurz. Auch sonst ist diese kurze Laufzeit für Kriegsfilme eher ungewöhnlich. Man denke nur an Spielbergs Der Soldat James Ryan (169 Minuten) oder Ridley Scotts Black Hawk Down (143 Minuten). Die Filme und Regisseure unterscheiden sich natürlich in zahlreichen Punkten, aber eines ist klar: Kriegsfilme sind normalerweise Filme mit Überlänge. Dunkirk sticht da positiv heraus. Dank der kurzen Laufzeit hat der Film keine Längen und schafft es von der ersten bis zur letzten Minute die Spannung aufrecht zu erhalten. Viele Filme des Genres beginnen zwar oft mit spannenden Anfangsszenen, fallen dann aber in eine Art Spannungsloch. Es wird weit ausgeholt, den meist muss erst zum Krieg hingeführt werden. Das muss nicht schlecht sein, kann aber besonders in diesem Genre dazuführen, dass die Filme zu langatmig werden. Auch Spielbergs James Ryan beginnt sehr stark mit der Landung der Alliierten in der Normandie, verliert dann aber leider an Spannung und nimmt erst wieder zum Ende hin Fahrt auf.

Dunkirk umgeht dieses Problem geschickt, indem Nolan darauf verzichtet die Geschichte einzuleiten oder die Charaktere mit Hintergrundgeschichten auszustatten. Der Film beginnt sofort in Dünkirchen und zeigt in rascher Abfolge die Flucht einer kleinen Gruppe britischer Soldaten zum Strand. Nur einer von ihnen schafft es schlussendlich zum Strand. Auf ihm liegt zwar größtenteils der Fokus, wenn der Film von den Ereignissen am Strand erzählt, trotzdem erfährt man vergleichsweise wenig über die Figur.

Das klingt oberflächlich, ist es aber nicht. Dunkirk schafft es so perfekt, die Atmosphäre der damaligen Ereignisse darzustellen. Man weiß nicht viel über den anderen, doch das gemeinsame Ziel steht fest: überleben.

Interessant ist auch, dass, obwohl Dunkirk vergleichsweise dialogarm ist (im allgemeinen Sinne, aber auch im Vergleich zu Nolans früheren Filmen), der Film kein hirnloses Actionfeuerwerk ist. Dunkirk kommuniziert hauptsächlich über Bilder und Atmosphäre - die Cinematographie des Films ist unglaublich.

Bemerkenswert ist, dass Dunkirk einer der wenigen Kriegsfilme ist, die ohne große Schlacht auskommen. Der Film konzentriert sich auf die Rettungsaktion der britischen Soldaten in Dünkirchen und bleibt auch dabei. Dabei hätte man theoretisch natürlich den Vormarsch der Wehrmacht mit den dazugehörigen erfolglosen Gegenangriffen der Alliierten in den Film miteinbeziehen können. Auch Hitler selbst hat keinen Auftritt, was ebenfalls eher ungewöhnlich für einen Film ist, der im Zweiten Weltkrieg spielt. Dabei wäre auch das theoretisch gut möglich gewesen, war es doch Hitlers umstrittener Haltebefehl, der den Briten überhaupt genug Zeit gab die Rettungsaktion zu organisieren. Dunkirk konzentriert sich jedoch nur auf drei Handlungsorte: der Überlebenskampf zu Land, Wasser und Luft. Das Land ist der Strand vor Dünkirchen, an dem die Soldaten auf Rettung warten. Der Kampf auf dem Wasser zeigt das langsame Vorwärtskommen der Fischkutter, die zur Rettung der Soldaten geschickt wurden und die sich auf dem Weg nach Dünkirchen immer wieder der Gefahr durch die deutschen Bomber ausgesetzt sehen. In der Luft liefern sich die Piloten der Royal Air Force eine Schlacht mit den Deutschen, deren Bomber immer wieder die Schiffe und die Soldaten auf dem Strand angreifen. Dunkirk wechselt zwischen diesen drei Schauplätzen geschickt hin und her und verknüpft am Ende die verschiedenen Handlungsstränge miteinander.

Der Film fokussiert nur auf das was die Beteiligten an diesen drei Schauplätzen erleben. Das mag nicht jedermanns Geschmack sein, aber auf mich wirkte der Film dadurch ausgesprochen real und authentisch. Wir als Zuschauer sehen nur das, was der Soldat am Strand vor Dünkirchen oder der Pilot in seinem Flugzeug erlebt.

Auch das Fehlen größerer Schlachten macht den Film nicht etwa langweilig, sondern in meinen Augen sogar viel spannender. Die Wehrmacht könnte jederzeit am Strand ankommen und den Alliierten läuft langsam aber sicher die Zeit davon. Immer wieder greifen vereinzelt deutsche Bomber an, die Royal Air Force versucht diese aufzuhalten. Extrem gut und spannend inszeniert waren diese kleineren Luftkämpfe und ihre Auswirkungen auf die Beteiligten der anderen beiden Schauplätze, spannender als Vieles was ich in letzter Zeit im Kino gesehen habe. Leider verlieren sich viele Filme oft in riesigen CGI Schlachten, denen es aber an Spannung und Emotion fehlt. Vor allem das Finale von Dunkirk, in dem es Tom Hardys Pilot Farrier nach langem Katz-und-Maus Spiel gelingt den deutschen Bomber abzuschließen, ist extrem stark inszeniert. Spannend, emotional und mitreißend - besser hätte man es nicht machen können.

Hans Zimmers Soundtrack ergänzt sich perfekt mit den Bildern des Films. Ich kann verstehen, wenn einigen die Musik Zimmers nicht immer zusagt, aber in meinen Augen passt der Soundtrack zu Dunkirk und verstärkt die Emotionen des Films. Besonders weil Dunkirk nur wenige Dialoge hat, kommt der Musik besondere Bedeutung zu. Der Soundtrack unterstützt die Bilder nicht nur, er scheint fast eins mit dem Film zu sein. Mag sein, dass das nicht jeder so empfindet, aber so fühlte es sich zumindest für mich an. Persönliches Highlight des Soundtracks: Track 4 "Supermarine".

Dunkirk - eine andere Art Kriegsfilm, der mich enorm beeindruckt hat. Spannend von der ersten bis zur letzten Sekunde, dramatisch und emotional zugleich. Der Stil des Films mag nicht jedem gefallen, aber für mich war Dunkirk eines der Highlights des bisherigen Filmjahres. Dunkirk geht neue Wege und zeigt eine neue, persönliche Perspektive des Zweiten Weltkriegs. Anschauen lohnt sich also!


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