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Die zehn unantastbaren Rechte des Filmschauens

30.11.2014 - 20:02 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
La Dolce Vita
Riama Film, Gray-Film, Pathé Consortium Ciném
La Dolce Vita
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1. Das Recht, nicht zu sehen.

Man muss keine Filme gucken. Und schon gar nicht muss man Klassiker oder schwere Brocken schauen. Man muss gar nichts. Nur weil Filme einen im besten Sinne menschlicher machen können, heißt das nicht im Umkehrschluss, dass jemand, der Filme nicht kennt, ein Unmensch ist. Es steht jedem frei.

2. Das Recht zum Vorspulen.

Heute skippt man eben ein paar Szenen vor oder ein Kapitel. Man weiß, gerade ist es eine schwache Szene, aber der Film kann trotzdem was. Bei mancher Serie gilt das gleiche. Der LoveInterest wurde für die TargetDemographic reingeschrieben. Kann man sich geben, muss man aber nicht.

3. Das Recht, einen Film abzubrechen.

Zum Glück habe ich Alain Resnais mit Mon Oncle d Amérique kennengelernt. Denn hätte ich zuerst Letztes Jahr in Marienbad gesehen, ich hätte ihn abgebrochen. Garantiert. Denn ohne einen gewissen Respekt vor Alain Resnais, wäre der Film doch ehrlich zu zäh.
Man kennt das Gefühl. Nun will man endlich diesen Film gucken, der so oft erwähnt wird. Und dann scheitert man. Man kommt nicht rein. Man zwingt sich. "Die anderen Zuschauer haben es doch auch geschafft, sie haben es genossen - Und ich, ich muss doch auch.....Nein!" Stop. Aus.
Gar nichts muss. Abbrechen ist voll in Ordnung. Wie bei Büchern sollte man sich nicht quälen. Vielleicht ist gerade einfach die Zeit eine andere - eventuell wirkt der Film später besser. Oder auch nie wieder. Es gibt mehr gute Filme, als man je gucken kann. Nicht so schlimm, wenn man mal was nicht gesehen hat.

4. Das Recht, nochmal zu schauen.

Wie oft habe ich Fight Club geguckt? Das war einfach einer der ersten Filme, der mir bewusst gemacht hat, auf was man alles achten kann beim FIlm - Trainspotting immer wieder gerne. Danny Boyles künstlerische Freiheit beim Tauchen im Klo nach dem Zäpfchen. Die Regenschirme von Cherbourg - Musik und Film zum schön Entspannen und Schwelgen.
Soooo oft es geht. Immer wieder gern. Ich habe gar nicht so viele Filme. Aber manche Filme guck ich einfach gern. Ich liebe Neues. Neues macht glücklich. Der Bestseller "Satisfaction" erklärt ja, wie das Gehirn immer belohnt wird, wenn etwas Neues geschieht.
Aber manchmal, da will man einfach wissen, wie man sich fühlt und es tut gut, eine bekannte Emotion auf und ab wieder zu erleben. Man weiß, wie die Verfolgungsjagd endet, aber man erfreut sich an den Stunts. Die Filmmusik nimmt man erst jetzt war und die Details auch.
Man merkt erst mit zunehmendem Alter, wie gut es ist, Filme mehrmals zu sehen. Manche kann man gar nur durch mehrfach sehen erfassen. Man sagt ja "Man badet nie zweimal im gleichen Fluss". Ich sage "Man sieht nie zweimal den gleichen Film".


Trainspotting


5. Das Recht, irgendwas zu schauen.

Man soll sich frei machen von diesen 1001-Listen. Guckt doch, was euch gefällt. Wer Spaß an der Jackie-Chan-Filmographie hat, der muss nicht unbedingt die Eric-Rohmer-Filme sehen. Und wer Ingmar Bergman mag, der muss nicht alle Ozu-Filme sehen.

Naja. "Ich will AlleAlle sehen". Aber ich guck da wirklich, worauf ich Bock habe. Ich zwinge mich zu nichts. Ich habe einen Stapel und ne ganze Liste an Filmen, die ich nur teilweise geschaut habe. Die guck ich dann manchmal fertig. Manchmal guck ich sogar Serien. Ich gebe alten Filmen oft einen Pionier-Bonus, aber so richtig wichtig sind manche Filme dann doch nicht. Manche Filme überholen sich selbst. Aber manche, die sind einfach für immer und immer wieder schöne Momente gemacht.

The Big Lebowski. Wer kann ihn schon mitsprechen? So oft schon gesehen?

6. Das Recht auf Bovarysmus.

Frei nach Madame Bovary, die sich in der Literatur komplett verliert. Wer Francois Ozons In Ihrem Haus kennt, weiß was gemeint ist. DIe Macht der Erzählung. Die Macht des sich komplett Verlierens und Aufgehens in einem Film. Die Handlung wird echt. Man lebt den Film.
Man wird Teil der Handlung. Alles passiert im Einklang und man leidet mit dem Held, man fühlt und identifiziert sich. Ist der Film.
Wie ein luzider Traum. Ein Klartraum, der gesteuert ist. In the Zone of the Movie.



7. Das Recht, immer und überall einen Film zu gucken.

Laptop und Kopfhörer und ein paar Hitchcocks und jede Reise wird gut.
Ich steig ein und irgenwann steig ich wieder aus. Auf dem Tablet oder Handy mal nen Kurzfilm, ne Episode der Serie oder eben mal nen Film. Warum nicht. Klar kommt Gravity besser im IMAX und The Master sieht auf 70mm besser aus. Aber ganz ehrlich. Wie die meiste Musik nicht aus Bose-High-End-Soundsystemen kommt, so kommen Filme meist auch über Bildschirme, die nicht gerade High End sind. Und wenn man Spaß dran hat, dann will ich dem Filmliebhaber seinen Spaß gönnen.

8. Das Recht, den Film in seiner bevorzugten Vertonung zu gucken.

Ja, Synchronisation. Da gibts immer starke Pros und Cons. Die sind allen bekannt. Generell tendieren große Filme mit Budget zu guten Synchronsprechern und besseren Übersetzungen. Wenn der Film etwas authentischer oder dokumentarischer Natur ist, dann sollte man möglichst OmU - Original mit Untertiteln - sehen, denn ansonsten wirkt der Film aufgesetzt. Auch besonders das Genre des Gangster-Film ist von schlimmen Synchros betroffen. Boyz in the Hood - Muttaficka alles klärchen?

Klassiker aus Jugendzeiten guck ich auch gern mal auf Deutsch. Weil ich sie so kennengelernt habe. Zurück in die Zukunft ist wie ein Hörspiel. "Buddy Holly" - ich liebe die deutschen Dialoge. Aber umso besser wird es, wenn man bei einem Rewatch von Das Schweigen der Lämmer dann festellt, dass Jodie Foster als Clarice Starling viel zerbrechlicher klingt und ihre Stimme wirklich zittert und bebt vor Angst. Wer die Originalstimme sieht hat mehr vom Film, aber jeder nach seiner Fa­çon.

9. Das Recht, einen Film nebenbei zu gucken.

Letztens hab ich nen Film angefangen und dann irgendwann das Handy in die Hand genommen und schon war ich raus aus dem Film, ließ ihn laufen und bin erst ab der Mitte eingestiegen. Egal, hat auch so Spaß gemacht, sich reinzufinden in die Geschichte. Forever Young mit Mel Gibson. War schon klar, was der Plot-Point war.
Man kennt irgenwann die Bausteine. Held muss aufbrechen und Reise beginnen, Schritt wagen, Mut zusammen nehmen. Er streubt sich aber erst und dann macht er's doch noch. Wie Frodo.

Einfach mal berieseln lassen und passiv gucken. Man merkt der Film ist solala, dann nebenbei die Trivia-Sektion von IMDb lesen und auf die Goofs achten. Die Moviepilot-Freunde-Spalte lesen und sich von einem Buddy-Kommentar überzeugen lassen, dass das gerade eher leichte Kost ist.
Auch mal gerne nen Film gucken, während man sich ready macht und zwischen Schrank und Bildschirm hin und her guckt oder während man am Computer arbeitet, auf dem zweiten Bildschirm gucken.

10. Das Recht, nicht drüber zu reden.

Manche Filme, die überdenkt man, da lässt man sich im Gefühl treiben. Im Feeling. Da ist es egal, wenn nach dem Kino gefragt wird, wie fandest du den Film? Gut, schlecht, was sagt das schon. Ich sag einfach mal, war interessant. Oder hart, oder aufweckend, aber eklig. Oder mal einfach nichts sagen, ist auch gut.


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