Die Wickie-Parade: Bully Herbig präsentiert seinen neuen Film

04.08.2009 - 10:26 Uhr
Constantin Film Verleih GmbH
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Michael Bully Herbig stellte der Presse die aufwendige Verfilmung der kultisch verehrten Zeichentrickserie aus den 70ern vor. Das Ergebnis ist unterhaltsam und doch etwas enttäuschend…

Ein Überraschungsei segelt durch den Saal und verfehlt einen Journalisten um Haaresbreite. Der Werfer entschuldigt sich artig: “Ups, das war zu weit.” Denn eigentlich war das Ei zur Belohnung für besonders gute Fragen gedacht. Der Werfer ist der zehnjährige Jonas Hämmerle, Hauptdarsteller der neuen Michael Herbig -Komödie um den neunmalklugen, rotbeschopften Wikinger-Bengel Wickie und die starken Männer.

Jonas hat neben Bully eindeutig die meisten Lacher auf seiner Seite, wenn er seinen Regisseur irritiert anguckt, als dieser ihm unrealistisch verspricht, er wäre garantiert auch bei einer Fortsetzung dabei, denn Harry Potter würde ja auch immer älter. Jonas verdreht die Augen und meint “Ja klar. Aber Wickie bleibt in der Serie immer gleich alt”, was Bully prompt zu einem Dementi nötigt.

Doch bevor Fortsetzungen gedreht werden, soll es zunächst mal um den jetzigen Film gehen, denn Bully und seine Crew gutgelaunt, wenn auch sehr professionell präsentieren. Ein wenig schwingt bei den Plänkeleien zwischen allen Beteiligten die Routine mit, was dem Unterhaltungswert jedoch keinen Abbruch tut. Einen BILD.de-Schreiber der unbedingt wissen will, warum die Pressekonferenz zeitgleich zur Premiere des neuen Penélope Cruz -Films Zerrissene Umarmungen stattfindet, verwirrt Herbig gekonnt mit einem Redeschwall von Nonsense, dass selbst der Fragesteller nicht mehr genau weiß worauf er eigentlich hinauswollte.

Kein Zweifel Bully weiß mit den Medien umzugehen und ist als Regisseur, wie Promoter ein Vollprofi, der weiß was von ihm erwartet wird. Günther Kaufmann, der im Film den Bösewicht spielt, ist zweifellos von seinem Regisseur beeindruckt und bedankt sich mehrfach für die Rolle – auch wenn er an die Dreharbeiten im hitzegeplagten Malta und den kiloschweren Fat-Suit, den ihm das Buch abverlangte, wohl gemischte Erinnerungen hat.

Es fällt schwer, die Truppe dort oben auf der Bühne nicht zu mögen, die ohne Zweifel viel Zeit, Energie und Herzblut in diesen Film gesteckt hat, der – darauf weist Perfektionist Bully hin – hier zur Pressevorführung erst zu 95% fertig sei. Ein wenig Feinschliff und Colorgrading würde noch gemacht, ehe das Abenteuer am 09.09.09 in die Kinos kommen wird.

Ich wünschte, ich hätte mich beim Film selbst auch so durchgehend amüsiert, wie bei der Pressekonferenz oder der Casting-Show im vergangenen Sommer. Doch auch mit viel Sympathie- und vor allem Nostalgiebonus (ich bin zwar einen Hauch jünger als Bully, aber ebenfalls mit der Serie aufgewachsen) war der Film ein durchwachsener Spaß. Kinder, als Hauptzielgruppe, haben wohl am ehesten Spaß an der raubauzigen Truppe, die ihren Zeichentrick-Vorbildern wirklich wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Als erwachsener Fan und Zuschauer, entdeckte ich zwar immer wieder sehr sympathische Szenen und Referenzen (von Der weiße Hai bis Fluch der Karibik und natürlich endlose Verweise auf die alte Serie), dennoch fehlte der letzte dramaturgische Schliff, die zwingende Handlung die das Ganze über eine Ansammlung von (zum Teil sehr Bully-Showesken-) Sketchmomenten hinaus hebt und zu einem wirklich großen Spielfilm macht.
Die Details sind alle da, die Story würde es vielleicht auch hergeben, aber sehr oft hatte ich den Eindruck eben thematisch ähnliche Fragmente zu sehen, die den Übungsaufgaben der Casting-Show ähnelten, aber nicht zwangsläufig eine durchgehende Handlung ergeben müssen.

Warnung: Leichte Spoiler

Was dem Film fehlt ist eine große, glaubhafte Bedrohung – gerade auch, weil es ein Kinderfilm ist. Die böse Wikingertruppe um den grimmig grunzenden Günther Kaufmann, einen fast unkenntlichen Christoph Maria Herbst (der sichtlich Spaß an seinem irrwitzigen Comic-Acting hat) ist aber viel zu dämlich, albern und unbedrohlich, als dass sie als Handlungsantrieb wirklich funktionieren würde. Bully scheut die Dunkelheit, das gewalttätige und die Angst – und verwehrt den Zuschauern damit auch, wirklich um die entführten Kinder aus Wickies Dorf zu bangen.

Natürlich sollte ein Kinderfilm nicht zu hart sein, aber wohldosierte Gruselmomente und die Andeutung, dass die Bösewichte wirklich grausam sein können, wäre der Story eindeutig zu Gute gekommen, denn auch die Zeichentrick-Serie nahm den schrecklichen Sven, genauso wie den Wolf, der Wickie verfolgt, als Bedrohung ernst. Bei Bully ist alles harmlos und heiter, der Wolf sieht aus wie ein schmutziger Schäferhund und der schreckliche Sven verurteilt seine Piraten zum Stricken, wenn sie nicht brav waren. Wo in Kinderfilmen wie Matilda so gar nicht zimperlich gezeigt wird, wozu der Gegner fähig ist, dürfen die entführten Kids die Piraten hier folgenlos mit Blasrohren beschimpfen. Das macht ihre Befreiung weniger dringlich und schmälert den Sieg, denn ein Ziel das zu leicht erreicht wird, beschädigt das Triumphgefühl und auch Wickies legendärer Einfallsreichtum wird hier nie so recht auf die Probe gestellt, weil es einfach an wirklich bedrohlichen und scheinbar ausweglosen Situationen mangelt. Das der brutale Überfall auf Wickies Dorf zuvor völlig im Off stattfindet und uns nur erzählt wird, trägt ebenfalls zum fehlenden emotionalen Wumms bei.

Wickie und die starken Männer ist spaßig und schön ausgestattet, größtenteils ordentlich getrickst, mit einer etwas langweiligen Kamera-Arbeit und ganz sicher ein hübscher Film für Kinder und ihre Eltern. Er ist aber auch ein wenig eine verschenkte Chance für den talentieren Filmemacher Bully, sich wirklich weiter zu entwickeln und einen handfesten, packenden Abenteuerfilm für Kinder abzuliefern, der mehr ist als eine nostalgische Sketchparade.

Vielleicht ist das der Grund dafür, dass der Applaus nach dem Film und auf die Nachfrage, wie er denn den Anwesenden gefallen habe, auch eher verhalten enthusiastisch ausfällt. Denn Bully und Co. sind live leider viel unterhaltsamer als auf der Leinwand.

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