"Ein Bild der Zeit" lautete der Untertitel des ersten Teils von Dr. Mabuse, der Spieler. Dreimal nutzte Regisseur Fritz Lang den Superbösewicht aus der Feder von Norbert Jacques, um ein Bild seiner Zeit zu kreieren. In Dr. Mabuse, der Spieler aus dem Jahr 1922 betraf dies speziell das Chaos der frühen Weimarer Republik, 1933 legte Lang Das Testament des Dr. Mabuse als Kommentar zum Nationalsozialismus an und 1960, im Kalten Krieg, funktioniert das allsehende Auge Mabuse in Die 1000 Augen des Dr. Mabuse als unsichtbarer Kontrollapparat, der sich brandaktueller medialer Mittel bedient.
Die Paranoia gehört bei allen Mabuse-Filmen von Fritz Lang zu den wichtigsten Zutaten, so auch im Westberlin kurz vor dem Mauerbau. Ein Fernsehreporter wird mit einer mysteriösen Waffe auf offener Straße ermordet und die Spuren führen Inspektor Jochen Kras (später selbst ausgezeichneter Superbösewicht: Gert Fröbe) in das von den Nazis entworfene Hotel Luxor. Verkompliziert wird die Geschichte rund um die Ermittlungen von einer weiteren Reihe von Figuren, darunter der Waffenhändler Henry B. Travers (Peter van Eyck), dessen Bekanntschaft Marion Menil (Dawn Addams), das blinde Medium Peter Cornelius (Wolfgang Preiss), Gäste, Hotelbedienstete und so weiter, die alle ihre eigenen Geheimnisse mit sich herumtragen und mit diversen Verbrechen in Verbindung stehen. Diese im Nachhinein in Gänze mit all ihren Verästelungen zu rekapitulieren, wäre eines Mabuse würdig.
Der totgeglaubte Dr. nämlich sorgt in Die 1000 Augen des Dr. Mabuse durch das Gefühl seiner Anwesenheit für die Bedrohung. Mabuse schwebt über allem im Luxor, das einst von den Nazis mit einem komplexen Überwachungsapparat ausgestattet wurde, dessen Kontrollstation auch in ein Fernsehstudio passen würde. Langs letzter Spielfilm aktualisiert die Paranoia für ein weiteres Jahrzehnt und setzte damals den Startschuss für eine Reihe von Mabuse-Filmen, die als Alternative zu Edgar Wallace-Krimis produziert wurden. Langs vorangegangene Mabuse-Filme erhalten gegenüber den 1000 Augen in der Regel den Vorzug. Das eintönige Nazi-Altlasten-Hotel seines letzten Spielfilms passt aber ganz hervorragend in seine Zeit.
Heute im TV: Die 1000 Augen des Dr. Mabuse
Sender: Arte
Zeit: 22:00 Uhr