Brillante Verfilmung eines bewegten Lebens

11.04.2009 - 07:17 Uhr
WDR/Thomas Kost
R
1
0
Dror Zahavi erzählt in Rückblenden das Leben des Literaturpapstes und Holocaust-Überlebenden. Ein hervorragender Fernsehfilm.

Nach dem Eklat beim Deutschen Fernsehpreis im vergangenen Jahr hätte wohl niemand für möglich gehalten, dass Deutschlands unangefochtener Literaturpapst so bald wieder über einen Fernsehfilm lobende Worte verlieren könne. “Fabelhaft” nannte der Holocaust-Überlebende die Verfilmung seiner Autobiographie, die genau dies auch war: fabelhaft. Was Regisseur Dror Zahavi in Marcel Reich Ranicki – Mein Leben, der gestern abend auf arte lief, leistet, darf ohne Übertreibung als brillante Verfilmung eines bewegten Lebens bezeichnet werden. Selbstredend mussten die Drehbuchautoren die Memoiren des keifenden Literaturkritikers einkürzen, um daraus einen ansprechenden Fernsehfilm verwirklichen zu können. Die Entscheidung, sich auf die turbulente Jugend Reich-Ranickis zu konzentrieren, war dabei goldrichtig. Matthias Schweighöfer stellte den jungen Reich Ranicki treffend dar und wird mit dieser Rolle wohl endgültig dem Image des Sonnyboys entkommen sein.

Marcel Reich Ranicki – Mein Leben basiert auf der gleichnamigen, 1999 veröffentlichen Autobiografie von Reich-Ranicki, die 1,2 Millionen Mal verkauft und von der Kritik als eine der “bewegendsten Überlebensgeschichten des Holocaust” bezeichnet wurde. Der Film erzählt in Rückblenden von der Kindheit und Jugend des polnischstämmigen Marcel Reich-Ranickis, der in den Zwanziger Jahren eine preußische Schulausbildung in Berlin verbrachte, unter den Nazis nach Warschau deportiert wurde und im Warschauer Ghetto die schlimmsten Demütigungen hinnehmen musste, aber auch seine große Liebe fand und seine größte Leidenschaft festigte. Seine Frau Tosia und die Literatur stellen diese zwei Konstanten im Leben Reich-Ranickis dar, die sich in der Autobiographie ebenso als rote Fäden durch das Leben eines jüdischen Deutschpolen im 20. Jahrhundert ziehen.

Obwohl viele Anekdoten und Facetten der Vorlage ausgespart werden mussten, gelang es den Filmemachern vorzüglich, ein außergewöhnliches Einzelschicksal des 20. Jahrhunderts abzubilden. Die notwendigerweise entstandene Raffung der Handlung wirkt hierbei weder mühselig, noch unbefriedigend: Sie macht vielmehr Lust, die Autobiographie des Kritikers mit all ihrem geistreichen Wortwitz zu entdecken. Im Gegensatz zu vielen anderen Holocaustfilmen zielt der Blick des Protagonisten nicht nur auf die Schrecken, die durch die deutsche Besatzungsmacht ausgeübt werden, sondern auf ein diversifiziertes Bild eines grausamen Jahrhunderts, in welchem sich ein Individuum gegen widrigste Widerstände zum renommiertesten Literaturkritiker durchgebissen hat.

Teilen Sie die lobende Meinung dieser Filmkritik?

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News