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BBC´s Sherlock: Staffel 1 & 2

12.09.2014 - 20:44 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
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Ein Vergleich zwischen Doyle´s Original und BBC Serie

Zu den klassischen Sherlock Holmes Verfilmungen reiht sich seit 2010 eine weitere ein, die jedoch wesentliche Neuheiten aufzeichnet: die vom Fernsehsender BBC produzierte Serie "Sherlock". Die Serie umfasst derweil 3 Staffeln mit je drei Folgen, von jeweils 90 Minuten Länge. Die Grundidee war die Charaktere, Beziehungen und Fälle rund um Sherlock Holmes (Benedict Cumberbatch)und Dr. John Watson (Martin Freeman) in die Neuzeit zu holen und die Erzählungen von Sir Arthur Conan Doyle im Rahmen der heutigen Gesellschaft glaubhaft zu machen.

Viele Szenen der Serie sind an die originalen Texte angelehnt. Deutlich werden nicht nur Veränderungen im Setting, bei der Kleidung, der Technik und weiteren Neuerungen unserer Zeit, sondern auch die Charaktereigenschaften der Figuren und ihre Beziehungen zueinander. So ist beispielsweise Dr. Watson ein Militärarzt, der sich seine "posttraumatische Belastungsstörung" und das daraus folgende Hinken im Afghanistan-Krieg anstatt im zweiten Anglo-Afghanischen-Krieg zugezogen hat. Aus Droschken, werden Taxis und aus der der Heiratsschwindlerin Irene Adler wird eine Domina. Zudem verwenden die Figuren moderne Technik zum Lösen ihrer Fälle wie Handys, Internet und GPS. Die Technologisierung zeigt sich ebenfalls in Einblendungen in der Serie, die anstelle eines Blicks auf das Mobiltelefon oder den Computerbildschirm benutzt werden, oder sogar Sherlocks Gedanken darstellen. Hinzu kommt noch das schnelle Erzähltempo, das die Serie verwendet.

Die Serie schafft es, sich trotz dieser Unterschiede auf Passagen der Originalgeschichten zu beziehen. Ein gutes Beispiel hierfür findet sich bereits in der ersten Folge „Ein Fall in Pink“. Im Original fand man eine Leiche, die die Buchstaben „R A C H E“ an die Wand geschrieben hatte. Während die Polizei glaubt das Opfer hätte „Rachel“ schreiben wollen und wäre gestorben, bevor es seine Tätigkeit beenden konnte, korrigiert Holmes dies und weist darauf hin, dass „Rache“ das deutsche Wort für „revenge“ sei. Mit Ironie kehrt die Serie die Verhältnisse um. „She was writing Rachel?“, fragt der verwunderte Lestrade, der Sherlocks Schlussfolgerung nicht zu glauben scheint. Mit Sarkasmus erwidert Holmes: „No, she was leaving an angry note in German. Of course she was writing Rachel!“ (S1E1 Sherlock: Ein Fall von Pink)

Die Sherlock Figur, die uns die BBC hier bietet, ist ein recht kühler und nach außen hin kontrollierter Charakter. Äußerlich entspricht Benedict Cumberbatch dem klassischen Sherlock: Groß, hager, blass, mit dunklem Haar. Er spielt wie der Buchcharakter die Violine. Dennoch bricht der neue Sherlock teilweise die typische Holmes-Darstellung, wenn er statt Raucher mit Pfeife zum Nichtraucher mit Nikotin-Pflastern wird, der einen Blog über Tabaksorten verfasst und seine charakteristische Deerstalker-Mütze streift er sich nur kurz über, als er sich vor Fotografen schützen möchte. Auch im Punkt Drogenkonsum entspricht dieser Sherlock nicht dem des späten 19.Jahrhunderts. Er wirkt auf andere arrogant und fast schon selbstverliebt, da er sich seiner herausragenden Intelligenz allzu bewusst ist. Es scheint ihm meist sogar Spaß zu machen ab und zu mit seinem Können andere Menschen zu beeindrucken Sherlock zieht Rückschlüsse über Watson anhand dessen Handys (-> Die Szene wurde aus "Das Zeichen der Vier" übernommen, wo Holmes fast dieselben Schlussfolgerungen auf Basis von Watsons Taschenuhr zieht.).Wie sein Vorbild löst er hier mit Hilfe von Beobachtung und Analyse seine Fälle.

Der moderne Sherlock zeigt sich als recht verlassenes Genie, dessen Einsamkeit kein Produkt seiner eigenen Unfähigkeit sich auf andere Menschen einzulassen ist, sondern vielmehr der Unfähigkeit anderer Menschen sich auf ihn einzulassen, da er für sie ein „Freak“ ist (Beispielhaft dafür ist die Ablehnung, die Sherlock durch die Polizei erfährt, wenn er bei einem ihrer Fälle zur Rate gezogen wurde). Dennoch findet er Menschen, zu denen er (für seine Verhältnisse) enge, freundschaftliche Beziehungen pflegt. Als Beispiel dienen hier die Beziehungen zu Lestrade, Mrs.Hudson (seiner Vermieterin) und natürlich Dr. John Watson, die er in Gefahrensituationen stets zu schützen versucht und für die er einen starken Beschützerinstinkt besitzt, was nicht ganz zu dem mechanisch dargestellten Romanhelden Holmes passt. Der Serien-Sherlock spielt auch mal den egoistischen Einzelgänger, dem alle anderen egal zu sein scheinen, nur um niemanden in Gefahr zu bringen.

John Watson: "She's dying... You machine. Sod this. Sod this. You stay here if you want, on your own." Sherlock Holmes: "Alone is what I have. Alone protects me."
John Watson: "No. Friends protect people."

Dieser „neue“ Sherlock Holmes gibt deutlich zu, das Verbrechen zu brauchen. Es regt seinen Geist an, treibt ihn zu Höchstleistungen (obwohl es manchmal so aussieht, als treibe es ihn in den Wahnsinn) und lässt ihn die Banalität des Lebens für die Dauer der Nachforschungen vergessen. Ihm wird vorgehalten, dass ihn die Opfer nicht interessieren und er alles wie ein Spiel sehen würde. Erkennbar wird seine Leidenschaft für das Lösen von Verbrechen vor allem als er seinem Erzfeind und Gegenspieler Jim Moriaty ( im Original: Professor James Moriaty) begegnet und dieser Holmes herausfordert. Moriaty wurde von Doyle als ein kriminelles und Holmes ebenbürtiges Genie erschaffen, vor allem um dem Detektiv einen Gegner zu bieten, der ihm einen ehrvollen Tod bietet, da Doyle die Detektiv-Serie beenden wollte. Jim Moriaty (gespielt von Andrew Scott) schafft es, Sherlock bei ihrer ersten Begegnung durch eine geschickte Verkleidung hinters Ohr zu führen. Er beginnt sein Spiel in dem er Sherlock durch Geiseln dazu zwingt verschiedene Fälle in einer bestimmten Zeit zu lösen, ihn somit von Fall zu Fall hetzt und sein ganzes Können herausfordert. Dabei geht es ihm nicht um Geld oder Macht, eher scheint es so, dass es ihm Spaß macht sich mit Sherlock zu messen, da er ansonsten von der Welt gelangweilt ist. Er baut eine Art Obsession mit Holmes auf. Es reicht ihm nicht Sherlock einfach zu töten, vielmehr ist es seine Absicht ihn in jedem Punkt zu besiegen. Er ist der Ansicht, dass der Held Sherlock ein Nichts wäre ohne einen Gegenspieler.

Moriaty: "Every fairy tale needs a good old-fashioned villain. You need me or you're nothing — because we're just alike, you and I. Except you're boring. You're on the side of the angels."

Sherlock jedoch scheint da nicht seiner Meinung zu sein. Obwohl viele denken, dass Sherlock keine Gefühle für Andere hat, beweist Sherlock, dass es ihm nicht nur um das „Jagen“ selbst geht, sondern dass ihm auch die Menschen wichtig sind und er diese beschützen will. Moriaty scheint bei allem seine Finger im Spiel zu habe, und schafft es, Sherlock an seine Grenzen zu bringen bis er dessen Schwachpunkt findet: seine wenigen Freunde. Am Ende der zweiten Staffel bleibt jedoch unklar, ob und wie Sherlock Moriatys Plan vereiteln kann.

Sherlock Holmes: Oh, I may be on the side of the angels... but don't think for one second that I am one of them.

Seine freundschaftliche Beziehung zu Watson ist ein wichtiger Aspekt der Serie, wie schon Doyle es im Original beabsichtig hatte. Sherlock wird als das "Genie" angesehen, während Watson den Durchschnitt vertritt. Einerseits sind sie fasziniert von der Andersartigkeit des anderen, anderseits ist ihnen gerade diese suspekt. Watson sehnt sich nach den Abenteuern, die die Freundschaft mit Sherlock ihm bietet, und Sherlock sucht einen Gefährten, der in der Lage ist ihm zu helfen andere Menschen besser zu versehen und ihm eventuell beibringen kann ein sozialeres Verhalten zu entwickelt.

Sherlock Holmes: "You're an army doctor. John Watson: Yes. Sherlock Holmes: Any good?"
John Watson: "Very good. Sherlock Holmes: Seen a lot of injuries, then? Violent deaths?"
John Watson: "Well, yes. Sherlock Holmes: Bit of trouble too, I bet."
John Watson: "Of course, yes. Enough for a lifetime. Far too much."
Sherlock Holmes: "Want to see some more?"
John Watson: "Oh, God, yes!"

Die Beziehung zwischen Holmes und Watson ist in der Serie enger als in den Originaltexten Doyles. So sprechen sie sich mit Vornamen an und werden oft für ein homosexuelles Paar gehalten. Dies wird von den Produzenten verneint, wird jedoch von den Charakteren in der Serie selbst thematisiert:

John Watson: "You don’t have a girlfriend, then?"
Sherlock Holmes: "Girlfriend? No, not really my area."
John Watson: "Oh right then. [pause] Do you have a boyfriend? Which is fine, by the way —"
Sherlock Holmes: "I know it’s fine. John Watson: So you’ve got a boyfriend?"
Sherlock Holmes: "No."
John Watson: "Right, okay. You’re unattached, just like me. Fine. Good."
Sherlock Holmes: (After an awkward pause) "John, um... I think you should know that I consider myself married to my work and while I am flattered by your interest I’m —"
John Watson: "No —"
Sherlock Holmes: "— really not looking for anyone —"
John Watson: "No. I’m not asking — no. I was just saying. It’s all fine."
Sherlock Holmes: "Good. Thank you."

Hinzu kommt noch, wie eben in dieser Szene gezeigt, dass Sherlock keine nennenswerte Beziehung zu einer Frau hat, sondern seiner Arbeit voll und ganz verschrieben ist. Watson spielt in den Abenteuern von Doyle den Erzähler der Geschichte. In der Rolle des Chronisten ist er in der Lage dem Leser Erlebnisse Sherlocks näher zu bringen, gerade weil man sich in Watson selbst wiedererkennt und sich mit ihm mehr identifiziert als mit Sherlock. Der Perspektivwechsel, der in der Serie stattfindet, sodass kein "Erzähler" mehr existiert, ist somit uneingeschränkter und bietet dem Zuschauer nun die Möglichkeit ohne Zwischeninstanz Sherlock zu verstehen. Watson bleibt dennoch die Figur, mit der man sich wohl am ehesten identifiziert. In der Serie selbst wird der Aspekt des Erzählers ebenfalls verarbeitet, da John Watson einen Onlineblog über die Fälle von Holmes führt. Es lässt sich sagen, dass der Versuch „Sherlock“ in unsere Zeit zu holen, erfolgreich war. Die BBC schafft es durch verschiedene Modernisierungen die Abenteuer von Sherlock Holmes auf eine witzige und temporeichere Art aufzugreifen und auch ohne viele Actionelemente die Zuschauer zu fesseln und ihnen ein Gefühl von dem Reiz zu geben, den die Geschichten von Doyle beinhalten. Die Serie bewegt sich nicht im Rahmen des typischen Popcornkinos, sodass die Zuschauer dazu angehalten werden, selbst nachzudenken, um somit der Handlung folgen und die Charaktere und ihr Handeln besser verstehen zu können. Zwar sind die Abenteuer von „“ nur an das Original angelehnt, dennoch schafft die Serie es immer wieder Sequenzen einzubringen, die mit einem Augenzwinkern darauf verweisen, was die Serie jedoch nicht zu einer wirklichen Verfilmung macht. Der Schwerpunkt der Serie liegt nicht nur auf der Handlung, sondern auch auf den Beziehungen der Figuren zueinander. Wichtig dafür war es, so dachten auch die Produzenten, noch relativ unbekannte und junge Schauspieler zu wählen, die noch mit keiner Rolle fest identifiziert werden, was der Serie zusätzlich einen frischeren Charakter verleiht. Dieser „Sherlock“ scheint, anders als sein Original, besser ins Jetzt zu passen. Zwar ist die Figur des Sherlock Holmes bis in unsere Zeit bekannt und ist praktisch der Inbegriff des genialen Detektivs, doch wirkt die dandyhafte Erscheinung des Originals zu kalt und emotionslos, wohingegen die Macher der Serie ihrem „Sherlock“ eine weitaus menschlichere Seite verpassen, auch wenn sich diese nicht immer gleich zu erkennen gibt. Beispielhaft hierfür ist die Beliebtheit von Figuren wie Dr.House, die nach Außen hin finster und „muffig“ wirken, das Herz dann aber am rechten Fleck haben. Die Zuschauer präferieren heutzutage Figuren, deren Handlungen und Gefühle sie nachvollziehen können und die auch mal zwischenmenschlich ins Fettnäpfchen treten. Dies ist reizvoller als einem genialen, unerreichbaren Genie nur beim bloßen Lösen seiner Fälle zuzusehen. Doyles Geschichten bleiben zeitlos, was den Grund für die bisherigen Erfolge seine Bücher und deren Verfilmungen erklärt. Den Weg, den die BBC Serie einschlägt, ist neu und gewagt, jedoch vielleicht genau das, was die Zuschauer brauchen, um einen neuen Zugang zu Doyles „Sherlock Holmes“ zu bekommen.

(Quellen: Serie: „Sherlock“, Staffel 1 + 2, 2010-2012
BBC Sir Arthur Conan Doyle : „Das Zeichen der Vier“, „Ein Fall in Rot“)
Bakerstreet; Quotes;   Wiki

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