American Gods erzählt die größte Geschichte aller Zeiten

02.04.2019 - 13:00 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
American GodsStarz
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Die neue Folge American Gods beginnt holprig, fängt sich aber bald und bietet einige der bisher besten Momente der 2.Staffel. Zugleich ist sie ein Grabgesang auf einen Gott und die Ankunft in der heutigen Moderne.

Letzte Woche wurde das Tempo für American Gods angezogen. Endlich war mehr Schwung zu spüren. Augenscheinlich kommt die Serie in Episode 4, The Greatest Story Ever Told nun plötzlich zum Stillstand. Aber nur augenscheinlich.

Die neue Episode folgt, so fühlt es sich zumindest an, derselben Struktur wie die gesamte 2. Staffel: Sie startet holprig, fängt sich dann und schenkt uns einige atemberaubende Momente und relevante wie aktuelle Diskussionen. Die sind ebenso spektakulär wie alle bisherigen Kämpfe und Kriegshandlungen.

Ein beunruhigender Beginn für die größte Geschichte aller Zeiten

Abseits einer großartigen Eröffnungsszene beginnt die eigentliche Handlung von Episode 4 in Kairo mit Shadow Moon (Ricky Whittle). Nach eine äußerst un-igen (unnötig, uninteressant, uninspiriert) Sexszene taumelt er morgens in seinen Handlungsstrang für diese Episode. Kaum war er mal angekommen, wird er von Odin weitergeschleift. Alle Selbstbestimmtheit scheint wieder zu verpuffen.

Wieder unterwegs: Odin und Shadow

Nach Shadows Abreise erscheint zudem Bilquis (Yetide Badaki) im Bestattungsinstitut. Auch das will sich zunächst nicht recht in einen flüssigen Verlauf der Handlung einfügen, wissen wir doch immer noch nicht, was wir mit ihrer Position auf dem Schachbrett anfangen sollen. Doch hier beginnen alle Sorgen, sich in Wohlgefallen aufzulösen.

Ein göttliches Trio diskutiert in American Gods die Lage der Welt

Bilquis ist nicht der einzige Besucher bei Mr. Ibis (Demore Barnes). Auch Mr. Nancy (Orlando Jones) hat sich selbst eingeladen und beginnt nun eine Diskussion, die sich gewaschen hat. Denn hier treffen drei Götter des afrikanischen Kontinents aufeinander: Anansi, Bilquis und Thot. Zwei davon wollen sich aus dem großen Krieg enthalten.

Die wichtigsten Götter der Episode: Bilquis, Anansi, Thot.

Was folgt, ist ein Philosophie-Exkurs und ein kalter Eimer Wasser ins Gesicht der verklärten, privilegierten Bevölkerung. Es geht um Unterdrückung von Minderheiten, Zusammenhalt, Moral und Hass. Themen, die in Zeiten von Trump und Co. wichtiger sind denn je. Anansi und seine Diskussionspartner werfen in American Gods tiefgreifende Fragen auf:

  • Kann man ohne drastische Maßnahmen alle Gewalt der Vergangenheit wettmachen?
  • Gibt es nur zwei Seiten in einem Krieg?
  • Was liegt zwischen Krieg und Frieden?
  • Gehören Verbrechen wie Sklaverei wirklich der Vergangenheit an?

Als ein verzweifelter, zorniger und verletzter Anansi seinen adaptierten amerikanischen Akzent fallen lässt und in seinem Schrei nach Gerechtigkeit sein afrikanischer, wahrer Akzent zum Vorschein kommt, wird der größte Gänsehautmoment der Episode erreicht.

Ein Requiem für Technical Boy

Der eigentliche Start der Episode ist ungewohnterweise eine Göttergeschichte, die des Technical Boy. Wir bezeugen seinen Aufstieg zur Gottheit, den erschreckenden und faszinierenden Triumph von Computerchips über den menschlichen Geist.

Bruce Langley als Technical Boy

In der aktuellen Handlung nach Argos' Tod muss sich Techboy nun vor Mr. World verantworten und eine neue Informationsquelle liefern. New Medias Hilfe lehnt er trotzig ab. Er ist schließlich ein Gott und glaubt, der Mensch sei sein Untertan. Die Realität holt ihn gewaltsam auf den Boden der Tatsachen zurück. Längst ist die Technologie unser Untertan, unser neuer Gott sind die Medien, die die Technik ermöglicht.

Mehr: Alle Recaps zur 2. Staffel von American Gods

Techboy wird, nachdem New Media besser und stärker zurückkehrte, als erster neuer Gott mit seiner Sterblichkeit konfrontiert. Bruce Langley kann sich dabei locker mit Orlando Jones' Ansprache messen. Am Ende fällt Technical Boy, und es ist beinahe ... traurig.

Zwei Götter, ein Schatten und die Bank

Odin und Shadow derweil treffen sich mit dem einzig wahren neuen und gleichzeitig alten Gott: Money (William Sanderson). Odin und Mr. World buhlen um seine Gunst und scheitern beide. Dabei gibt es zwei ebenfalls großartige Momente:

  • Die beiden großen Rivalen liefern sich ein gehässiges Wortgefecht, und ihr friedliches und zugleich feindliches Verhalten ist Gold wert.

Shadow gewinnt seinen eben noch verloren geglaubten Schneid zurück und konfrontiert Odin mit seiner Erkenntnis, dass er dem Allvater offensichtlich wichtiger ist, als der zugibt.

Die Gewinner der neuen Folge American Gods:

Mr. World und Mr. Wednesday buhlen um Moneys Gunst.

Mr. Nancy, Mr. Ibis und Bilquis: liefern sich den Mexican Standoff der Moraldiskussionen.

Techboy: ist in dieser Folge ein überraschend tragischer Charakter, dessen rotzige Attitüde nicht über eine verletzte und gebrochene Persönlichkeit hinwegtäuschen kann.

New Media: wird immer bedrohlicher und zur Personifikation der Übernahme unserer Welt durch die sozialen Netzwerke und Medienkanäle. Die Art, wie sie Techboy auf die Pelle rückt, ohne Platz für Privatsphäre, alles sehend, fühlt sich besorgniserregend vertraut an.

Die Bank: gewinnt ohnehin immer. Außerdem ist die Repräsentation Moneys durch drei niedliche Pfadfinderinnen mit Keksen der perfekte Seitenhieb auf den als gute Tat getarnten Kommerz.

William Sanderson als Money

Das Hier und Jetzt: Diese Episode ist vollgepackt mit Themen, über die gerade jetzt gesprochen werden muss. Darüber, was wir Menschen aus unseren Technologien gemacht haben. Darüber, wie geteilt unsere Gesellschaft noch immer ist. Und darüber, dass wir gerade deswegen füreinander einstehen müssen.

Die Verlierer der neuen Folge American Gods

Praktisch keine.

Eine kleine Pause von Sweeney und Laura zugunsten anderer Götter tut American Gods gut. Die geführten Diskussionen und die tiefergehende Charakterisierung der Spieler auf beiden Seiten sind die Verlangsamung der Handlung allemal wert.

In der Bilanz zeigt sich langsam, dass die Serie eine Balance gefunden hat und vielleicht doch bald die Flügel spreizen und abheben wird. Der einzige wirkliche Verlierer der Folge ist wohl leider Shadow, der schluckaufartig alte Verbrechen der Autoren an seinem Charakter hochhustet: Taktisches Herumgeschoben-Werden und ein Brett vorm Kopf, das den Zuschauer trotz Glanzmoment die Augen verdrehen lässt.

Shadow Moon

Göttliches und Gottloses am Rande

  • Bilquis und Anansi zeigen in einem einzigen Kuss mehr Erotik als alle Sexszenen der gesamten Serie.
  • "Shall we seize the day by the ass before she finds a new dance partner?" Odin hat sein inneres Dead Poet's Society-Mitglied gefunden.
  • Demore Barnes muss endlich bei Audible als Hörbuchleser unter Vertrag genommen werden.
  • Wie lange Shadows Hirn wohl noch braucht, um endlich zu raffen, dass er da mit Bastet geschlafen hat?

Die neuen Folgen der 2. Staffel von American Gods erscheinen hierzulande immer montags auf Amazon Prime.

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