1994 - Tim Burton setzt Ed Wood ein Denkmal

08.10.2012 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Ed Wood
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Ob nun schlechtester Regisseur aller Zeiten oder gefeierte Trashfilm-Legende mit Kultstatus – Ed Wood, seine Lebensgeschichte und seine Werke waren auf jeden Fall einzigartig. Das fand 1994 auch Tim Burton.

Ist euer Glas halb voll oder halb leer? Seid ihr Optimisten, Pessimisten oder vielleicht Realisten? Opportunisten oder Idealisten? Sie haben zweifelsfrei alle etwas für sich, die euphorisch Zuversichtlichen wie auch die kauzigen Weltuntergangspropheten. Und den jugendlich frischen Idealisten gehört die Welt. Wenn es auch nur die eigene ist.

Die banalen Alltagsprobleme eines Exzentrikers
Wenn jemals einem Regisseur in der Filmgeschichte der Ruf des Idealisten nachgesagt werden kann, dann Edward D. Wood Jr.. Er mag sich vielleicht ständig mit seinem Vorbild, dem großen Orson Welles, Regisseur von Meilensteinen wie Citizen Kane, verglichen haben. Seine Werke sprachen aber eine ganz andere Sprache. Haarsträubende Plots entsprangen den undurchdringlichen Windungen seines kongenialen Hirns und formten sich in seiner Fantasie zu potentiellen Monster- und Science-Fiction-Klassikern. Sie sollten dem aufstrebenden Filmemacher endlich zum Durchbruch in Hollywood verhelfen.

Der Ruf des schwierigen Sonderlings eilte Ed Wood unglücklicherweise voraus, und so war es schwierig für ihn, an die finanziellen Mittel für seine Streifen zu kommen. Nur einige Trashfilm-Produzenten setzten sich immer wieder für ihn ein, und so ließ sich der ambitionierte Regisseur letztlich sogar von einer Baptistengemeinde und einem Fleischgroßhändler finanzieren. Seine schwierige Lage hielt ihn trotzdem nicht davon ab, sich weiterhin als Exzentriker zu inszenieren: der Mann kreuzte nicht selten in Frauenkleidern am Set auf, und flauschige Angora-Unterwäsche musste es schon sein. Ein absoluter Faux-Pas im reaktionären Amerika der 50er Jahre.

„Und Schnitt! Die Szene ist im Kasten!“
Und dann waren da natürlich noch die Filme von Edward D. Wood Jr.. Aufwändige Kulissenbauten und beeindruckende Spezialeffekte? Alles völlig überschätzt! Dem Regisseur ging es vor allem um den Gesamteindruck der Dramaturgie, und so sparte er eben an allen anderen Ecken und Enden. Ob nun irgendwo ein Mikrofon in das Bild hineinragte, die Kulissen wackelten oder die Drähte an den fliegenden Untertassen zu sehen waren – was machte das schon?

Ed Wood sah davon ab, die schief gegangenen Szenen zu wiederholen. Und auch seine Schauspieler schmiss er oft ins kalte Wasser. Überhaupt: seine Schauspieler! Neben der Moderatorin Vampira (Maila Nurmi) und dem TV-Hellseher Criswell engagierte er für seine Rollen auch gänzliche Amateure wie seinen Chiropraktiker oder einen Wrestler namens Tor Johnson, der ebenfalls schon bessere Tage gesehen hatte. Apropos bessere Tage: Ed Woods bekanntester Akteur war wohl Bela Lugosi, der 1931 erfolgreich Dracula dargestellt hatte, und mittlerweile unter Drogensucht litt.

„Mit diesem Film gehe ich in die Geschichte ein.“
So lauteten die weisen Worte des Regisseurs bei der Premiere seines Streifens Plan 9 aus dem Weltall. Und tatsächlich geriet Edward D. Wood Jr. trotz seines frühen Todes im Jahre 1978 nicht so schnell in Vergessenheit. In dem Buch The Golden Turkey Awards verliehen ihm Harry und Michael Medved dafür postum den Titel ‚schlechtester Regisseur aller Zeiten‘. Für viele begeisterte Zuschauer blieben die liebevoll abstrusen Werke aber sehenswert und erhielten schnell Kultstatus.

Als Fan von Ed Wood outete sich 1994 schließlich auch ein Regisseur, der für mindestens ebenso liebevoll abstruse Geschichten bekannt wurde: Tim Burton. Mit seinem gleichnamigen Biopic Ed Wood setzte er ihm ein Denkmal. In einfühlsamen Schwarzweißbildern ganz nach Manier der B-Movies der Fünfziger inszenierte er Johnny Depp in der Rolle des exzentrischen Filmemachers, und legte dabei besonderen Wert auf die beinahe väterliche Beziehung zu Bela Lugosi, hier grandios verkörpert durch Martin Landau. Und so beweist dieser Streifen einmal mehr, dass es Idealisten auf dieser Welt einfach braucht. Denn wie sagt Orson Welles in Ed Wood so schön zum ehrgeizigen Titelhelden: „Visions are worth fighting for. Why spend your life making someone else’s dream?”

Was die Menschheit sonst noch im (Film)Jahr 1994 bewegte:

Drei Filmleute, die geboren sind
10. Februar 1994 – Makenzie Vega, die junge Jessica Alba aus Sin City
23. Februar 1994 – Dakota Fanning, das kleine Mädchen aus Krieg der Welten
12. April 1994 – Saoirse Ronan, die junge Killerin aus Wer ist Hanna?

Drei Filmleute, die gestorben sind
03. Oktober 1994 – Heinz Rühmann, der verspätete Pennäler aus Die Feuerzangenbowle
19. Oktober 1994 – Martha Raye, die Betty Johnson aus In der Hölle ist der Teufel los
21. Oktober 1994 – Burt Lancaster, der resignierende Fürst aus Der Leopard

Die großen Festival- und Award-Sieger waren unter anderem
Oscars – Schindlers Liste von Steven Spielberg (Bester Film, Regisseur, Kamera, Musik)
Goldene Palme – Pulp Fiction von Quentin Tarantino
Goldener Löwe – Vive l’Amour – Es lebe die Liebe von Ming-liang Tsai

Die drei kommerziell erfolgreichsten Filme in Deutschland
Der König der Löwen von Roger Allers und Rob Minkoff
Forrest Gump von Robert Zemeckis
Der bewegte Mann von Sönke Wortmann

Drei wichtige Ereignisse der Nicht-Filmwelt
05. April 1994 – Nirvanas Frontsänger Kurt Cobain begeht Selbstmord
06. April 1994 – Beginn des Völkermordes in Ruanda
27. April 1994 – Mit der neuen Verfassung endet die Apartheid in Südafrika. Nelson Mandela wird kurz darauf Präsident.

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