100 Jahre Federico Fellini: Der große Grenzgänger des Kinos

20.01.2020 - 09:00 UhrVor 4 Jahren aktualisiert
Achteinhalb/Federico Fellini
Arthaus/Public Domain
Achteinhalb/Federico Fellini
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Heute wäre Federico Fellini 100 Jahre alt geworden. Viele seiner Werke gelten als Klassiker. Hier erfahrt ihr, was den Zauber seiner großen und kleinen Filme ausmacht.

Heute vor exakt 100 Jahren kam Federico Fellini in Italien zur Welt. Der Ausnahmeregisseur ist heutzutage vor allem bekannt wegen und irgendwie auch reduziert auf seine beiden Filme Achteinhalb und La dolce vita - Das süße Leben.

Tatsächlich aber stellt fast jeder seiner Filme ein einzigartiges Erlebnis dar. Und einer der zentralen Gründe dafür ist, dass Fellini die seit jeher starren Vorstellungen über die Beschaffenheit von Film-Charakteren und Genres immer wieder geflissentlich ignorierte und völlig eigene Welten erschuf, die mal rauschhaft wild, mal zärtlich und direkt, mal nüchtern sind - aber doch immer ein unvergleichliches Erlebnis darstellen.

Tatsächlich war Fellini sogar weit mehr als "nur" ein Grenzgänger. Er ging in der Regel viel weiter: Seine Filme pulverisieren Grenzen jeder Art.

Nieder mit den Grenzen des Alltags

In Fellinis Neorealismus-Frühphase sind es die Protagonisten, die aus ihren Milieus türmen wollen und sich plötzlich in ganz eigentümlichen Zwischenwelten wiederfinden (Lichter des Varieté, Das Lied der Straße, Die Nächte der Cabiria) oder Figuren-Archetypen wie der des Gauners mit reinem Herzen, die bitterböse gebrochen werden (Die Schwindler). Schon in seinen ersten Filmen zeigten sich Muster, die anderen Filmen fremd bleiben. Und in Ansätzen trat auch schon die pulsierende Energie und vor allem die Magie zum Vorschein, die Fellinis Welten immer stärker dominieren sollte.

Giulietta Masina als Maria 'Cabiria' Ceccarelli in Die Nächte der Cabiria

Der Film, der Fellini die Goldene Palme in Cannes einbrachte, seinen endgültigen internationalen Durchbruch darstellte und ihn damit sozusagen auch zum globalen Grenzgänger machte, ist La dolce vita - Das süße Leben. In diesem, aber auch in den meisten der zuvor genannten Filme, tragen schlussendlich auch Rauschzustände dazu bei, dass Konventionen porös werden und die Dämme des Biederen brechen, sodass Arbeit und Müßiggang, Tragik und Leichtigkeit miteinander verschmelzen.

Nieder mit den Grenzen der Wirklichkeit

Anfang der 1960er findet eine Zäsur in Fellinis Schaffen statt. Durch die Beschäftigung mit Psychoanalyse und Traumdeutung erweiterte sich der Hang des Regisseurs zur rigorosen Missachtung von Grenzen noch weiter.

Achteinhalb, der Film, der gemeinhin als Fellinis Magnum Opus bezeichnet wird, macht daraus keinen Hehl: Munter vermischen sich hier Traum und Wirklichkeit, biografische Elemente des Regisseurs und reine Fiktion zu einem Geflecht, das nicht mehr auseinander zu dröseln ist.

Auch in Fellinis Roma, vor allem aber in Amarcord (sein wohl drittbekanntester Film) geht es ähnlich wild und magisch zu - hier wird außerdem seine Jugend während des grassierenden Faschismus in Italien reflektiert und mit fast schon anrührender und bittersüßer Nostalgie konterkariert.

Marcello Mastroianni als Guido Anselmi in Achteinhalb

Seine absolute filmische Autobiografie - und zugleich der Bruch mit ihr - wird dann aber Intervista. Ein Film, in dem nicht nur Fellini selbst vor die Kamera tritt, sondern die ganze Crew des Films zu dessen Star avanciert. Und auch hier kehrt die Zirkuswelt als zentrales Fellini-Motiv wieder mit Schwung zurück.

Durch das muntere Verarbeiten der eigenen Biografie in fiktionale Stoffe, so könnte man sagen, transzendiert der Regisseur schließlich auch die Grenzen zwischen Kunst und Identität. Ein Prozess, der auch in Fellinis letztem Film zu beobachten ist: Die Stimme des Mondes von 1990. Schlussendlich gibt es keine Wahrheiten und erst recht keine Grenzen. Es gibt nur den Moment des blanken Erlebens.

Nieder mit den Grenzen des Films

Noch viel irrer wird es dann mit Satyricon und Fellinis Casanova - beides Literaturverfilmungen, die kaum noch als solche wiederzuerkennen sind, so forsch brechen sie ihren Grundstoff wieder und wieder, bis Fellinis Transformation des selben so eigenmächtig ist, dass es kaum mehr eine Rolle spielt, wie der originale Text und seine Interpretation sich zueinander verhalten. Das Ergebnis ist sowieso etwas völlig Einzigartiges.

Wer dem großen Donald Sutherland dabei zusieht, wie er sich über zwei Stunden lang im Delirium durch unfassbar imposante Theaterkulissen rammelt, der hat Fellini von seiner manischsten, aber auch freiesten Seite kennengelernt. Klassisch Film ist hier aber nichts mehr. Gemälde, Theater, Filmepos und Oper verkleben zu einer Bricolage, die sich endgültig nicht mehr mit konventionellen Maßstäben fassen lässt.

Wie nebenher reflektiert der Filmemacher hier - wie auch in Stadt der Frauen - das toxische Bild von Männlichkeit, das im Westen als Ideal gilt: Die Güte des Lebens gemessen an der Größe der romantischen Eroberung.

Donald Sutherland als Casanova in Fellinis Casanova

Und dann gibt es da noch Die Clowns: Eine der ersten Mockumentaries überhaupt, in der Fellini selbst vor die Kamera tritt und sich scheinbar dokumentarisch dem Beruf des Clowns anzunähern versucht - nur, dass dann zufällig Stars und seltsame Figuren das Bild einnehmen, bis auch hier untrennbar wird, was spontan und was inszeniert, was Wirklichkeit und was Fantasie ist.

Nieder mit den Grenzen des Todes

Als Fellini im Jahr 1993 starb, war er so groß, so wichtig und so einzigartig, dass er, nur folgerichtig, in der Kunst anderer Regisseure weiterlebte - wie zum Beispiel in den Wunderwelten von Tim Burton und Emir Kusturica.

Zwar gab es "fellineske" Filme auch unabhängig von ihm (allen voran in der Tschechischen neuen Welle), doch niemals vorher und niemals nachher hatte hochgradig absurdes, surreales, anspruchsvolles, aber eben auch unvergleichlich betörendes Kino einen so enormen Bekanntheitsgrad wie das von Fellini, der es mit seinen Filmen, so anders sie oft auch sein mögen, stets schaffte, das Publikum zu verzaubern. Vielleicht, weil er aufzeigte, dass Freiheit dort entsteht, wo man Grenzen auflöst.

So könnt ihr Federicos Fellinis Filme streamen

Wer anlässlich des Fellini-Jubiläums ein paar seiner Filme nachholen möchte, findet eine sehr reduzierte Auswahl über die gängigen Streaming-Dienste verstreut:

  • Amazon: Fellinis Stadt der Frauen
  • Chili: Liebe in der Stadt
  • Maxdome: Die Schwindler
  • Mubi: Die Nächte der Cabiria

Insbesondere Amazon bietet einige Filme außerdem als Stream zum direkten Kauf an. Ferner findet ihr viele Titel klassisch als DVD und Blu-ray (auch in günstigen und praktischen Box-Sets) * zum Kauf.

Für welchen Film von Federico Fellini ihr euch auch entscheidet: Seid bereit, in neue und im besten Sinne verrückte Welten einzutauchen.

Habt ihr einen persönlichen Favoriten von Federico Fellini? Wie steht ihr zu seinen Filmen?

*Bei dem Link zum Angebot von Amazon handelt es sich um einen sogenannten Affiliate-Link. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine kleine Provision.

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